Die Frau an Seiner Seite
Gesundung bis zu ihrem Selbstmord 2001.
Unmittelbar nach Helmut Kohls Rückkehr aus Asien wurde die Beziehung zum Hausarzt Lösel abrupt beendet. Der heute Dreiundneunzigjährige hat die aus seiner Sicht unwürdige Trennung nie überwunden und leidet seitdem stark unter dem Vorwurf, der Sündenbock zu sein.
Neueste Recherchen ergaben indes, dass nicht auszuschließen ist, dass der Arzt mit der Tragödie des Jahres 1993 tatsächlich nichts zu tun hatte. Fakt ist, dass Dr. Lösel viele Jahre zuvor eine Liste erstellt hatte, auf der präzise all jene Medikamente und Impfstoffe verzeichnet waren, die der Kanzlergattin wegen ihrer Penicillinallergie auf keinen Fall verabreicht werden durften. Exemplare dieser »Giftliste« waren im Hause Kohl ebenso deponiert wie in den Dienstwagen. Beide Chauffeure waren darüber informiert und wussten im Ernstfall, zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall, die Liste sofort zu präsentieren und jedem Arzt zu übergeben. Insider halten deshalb die Darstellung der Kohl-Familie für die nicht einzig denkbare. Dass sich nach dem vermeintlichen Kunstfehler des Dr. Lösel das Verhältnis zwischen ihm und Professor Gillmann, der die Familienversion stützt und weiterhin Kohl-Arzt blieb, nicht verbesserte, darf angenommen werden. Die Familie Kohl schloss sich jedenfalls der Überzeugung von Professor Gillmann an und trennte sich von ihrem jahrelang geschätzten Mediziner.
Nicht erst seit Hannelores Selbstmord 2001 gab es eine Reihe von Vermutungen, sie habe sich bereits 1993 etwas angetan. Sie habe sich das penicillinhaltige Medikament bewusst beigebracht, dies sei ihr erster Selbstmordversuch gewesen, so die Spekulationen. Diese wurden bei Freundinnen genährt, die sich zu erinnern glauben, den Satz gehört zu haben
»Ich tue mir etwas an, ich will nicht verreisen!« Lösel wurde umgehend ersetzt durch Professor Dr. Walter Möbius, Jahrgang 1937 und damals Chefarzt der Inneren Abteilung des Bonner Johanniterkrankenhauses. Er hatte den Kanzler im Vorfeld des berühmten Bremer CDU-Parteitags wegen seines Prostataleidens erfolgreich betreut. Von nun an kümmerte er sich auch um das neue Leiden der Kanzlergattin, in enger Abstimmung mit dem zweiten Hausarzt der Kohls, Professor Gillmann. Möbius sah von Anfang an einen Zusammenhang zwischen der allergischen Reaktion aus dem Jahr 1993 und der jahrelangen Lichtempfindlichkeit, die immer stärker wurde. In seinem 2008 erschienenen Buch »Menschlichkeit ist die beste Medizin. Ein Wegweiser für Patienten und Ärzte« heißt es wörtlich über seine prominente Patientin: »Auf jegliches Licht reagierte sie mittlerweile mit brennenden Schmerzen auf der Haut, Schmerzen im Brustbereich, Herzrasen und Asthmabeschwerden. Die Symptome ließen sich mit entsprechender Therapie zumindest zeitweise beheben, doch sie konnte sich in den folgenden Jahren draußen nur noch im Schatten dichter Bäume und in der Dämmerung aufhalten. Dieser Zustand, der sich in den letzten beiden Jahren ihres Lebens noch verstärkte, trieb sie in zunehmende Isolation. Niemand war in der Lage, Hannelore Kohl wirklich zu helfen, und sie begab sich auf Anraten ihres Hausarztes in eine Klinik am Tegernsee. Dort sollte eine Art Lichtdesensibilisierung durchgeführt werden. Eine Heilung konnte jedoch auch hier nicht erzielt werden.«
Von Hannelores tatsächlicher gesundheitlicher Lage erfuhr so gut wie niemand. Selbst enge Freundinnen hatten zunächst keine Ahnung. Die Kanzlergattin verwandte ungeheuere Disziplin darauf, ihre Probleme zu verbergen, zu klagen war ihr fremd. Sie setzte alles daran, ihre Krankheit zu verschweigen, sich selbst unter Stress und enormem Druck nichts anmerken zu lassen. Tatsächlich verließ sie immer häufiger nur noch in der Dämmerung das Haus, mied – soweit es ging –, das Tageslicht und führte zum Schutz gegen die Sonne einen Schirm mit sich.
Die in meinem Vorwort erwähnten Experten Reddemann und von dem Stein sehen in dieser dramatischen Wende im Leben der Hannelore Kohl eine Retraumatisierung. Wenn Körper und Psyche durch ein Urtrauma wie eine Vergewaltigung derart in Mitleidenschaft gezogen werden, sind psychosomatische Beschwerden irgendwann unvermeidbar. Auch namhafte Dermatologen bezweifeln heute die Diagnose des behandelnden Arztes Walter Möbius. Die schwere Arzneimittelreaktion, die in der Tat mit klassischen allergischen Reaktionen wie Blasenbildungen und vielem mehr einhergehe, erkläre allerdings nicht die späteren Beschwerden, die auch
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