Die Frau an Seiner Seite
Kopf geschossen sei, in welcher Weise ihr Mann in den Vorfall involviert sein könnte. Sie wusste, dass er als langjähriger CDU-Bundesvorsitzender über alle Ein- und Ausgaben der Partei im Bilde war und – wenn er wollte – jederzeit persönlich Einblick in sämtliche Finanztransaktionen des CDU-Schatzmeisters nehmen konnte. Höchst angespannt wartete Hannelore auf ihren Mann, der zu mitternächtlicher Stunde tief bestürzt nach Hause kam. Noch am Abend hatte er in einer ersten Stellungnahme erklärt, keinerlei Kenntnis von der Spende Schreibers an Walther Leisler Kiep gehabt zu haben. Wie sich anderntags herausstellte, wurde der Haftbefehl gegen Leisler Kiep gegen Zahlung einer Kaution über 500 000 D-Mark außer Vollzug gesetzt. Zuvor hatte der gewiefte Finanzmanager erläutert, dass der Millionenbetrag, den ihm Schreiber in der Schweiz übergeben habe, als Parteispende an die CDU gegangen sei. Auch davon hatte Helmut Kohl keinerlei Kenntnis. Allerdings erinnerte er sich an einen Vorfall aus dem Jahr 1997. Damals hatte er erfahren, dass Wolfgang Schäuble eine 100 000-D-Mark-Spende von jenem Karlheinz Schreiber erhalten hatte.
Hannelore, die von all dem nichts wusste, war zutiefst beunruhigt. Schlaflose Nächte waren vorprogrammiert.
Am Vortag des zehnten Jahrestags des Falls der Berliner Mauer traf das Ehepaar Kohl mit Barbara und George Bush sowie Michail Gorbatschow, der von seiner Tochter Irina begleitet wurde, im Berliner Rathaus zusammen. Anlässlich der feierlichen Verleihung der Ehrenbürgerwürde Berlins an den früheren amerikanischen Präsidenten hielt Helmut Kohl die Laudatio. Während ihr Mann die politischen Leistungen beider Staatsmänner würdigte und sie die »entscheidenden Baumeister der deutschen Einheit« nannte, wollte Hannelores Nachdenken über die Millionenspende nicht enden. Auch das »Gipfelgespräch zehn Jahre Mauerfall: Wie es wirklich war« im Axel-Springer-Verlagshaus lenkte sie kaum ab. Nur das wunderbare Solo des russischen Cellisten und Dirigenten Mstislav Rostropovich ließ Hannelore für kurze Zeit gedanklich abschweifen.
Eine gute Woche später berichtete die Süddeutsche Zeitung , Helmut Kohl sei als Parteivorsitzender aus schwarzen Kassen unterstützt worden. Ein CDU-Finanzexperte habe unter dem Haushaltstitel »Sonstige Einnahmen« einen versteckten Nebenhaushalt für den Parteivorsitzenden geführt. Außerdem sei die Bundesregierung unter Kohl gegen Zahlung von Schmiergeldern bereit gewesen, zur Jahreswende 1989/90 Bundeswehrspürpanzer nach Saudi-Arabien zu liefern. Im Hause Kohl herrschte blankes Entsetzen.
Hannelore las in der Welt am Sonntag vom 21. November 1999 ein ausführliches Interview ihres Mannes, in dem er sich erstmals nach der Kiep-Affäre zu Wort meldete und die Vorwürfe, seine Regierung sei bestechlich gewesen, als völlig abwegig zurückwies. An diesem grauen Novembersonntag stand das Telefon in Ludwigshafen nicht still. Das Ehepaar Kohl fühlte sich zutiefst verletzt, empfand die Unterstellungen als bösartige Verleumdungskampagne. Und diese setzte vor allem Hannelore erheblich zu. Sie glaubte fest an die Unschuld ihres Mannes und verfluchte die Medien, die nun versuchten, die Reputation ihres Mannes nach fünfundzwanzigjähriger Amtszeit als Parteivorsitzender zu zerstören.
Tags darauf setzte der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der Opposition, also auch der CDU/CSU, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein. Dieses Gremium sollte den Vorwurf der Käuflichkeit von Regierungsentscheidungen während Kohls Kanzlerschaft untersuchen. Im Mittelpunkt standen dabei das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien, die Privatisierung der Leuna-Raffinerie, Airbus-Lieferungen nach Kanada und Thailand und die Lieferung von Hubschraubern an die kanadische Küstenwache. Wie ihr Mann empfand Hannelore die Arbeit des Untersuchungsausschusses in Berlin als eindeutigen Versuch, die Regierungsarbeit des ehemaligen Kanzlers zu kriminalisieren.
Im Verfahren gegen CDU-Schatzmeister Kiep wurden ständig neue Details über das Finanzgebaren der Partei bekannt. So sollen zum Beispiel Spenden jahrelang auf Vorkonten geparkt worden sein. Auch davon hatte der Parteichef nach eigenen Worten keine Kenntnis. Nie zuvor verfolgte Hannelore die Berichterstattung in den Medien so gründlich wie in diesen Tagen und Wochen. Die Hiobsbotschaften wollten nicht enden. In der Presse bestimmten Fragen wie: »Affäre Kiep jetzt der Fall Kohl?« die
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