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Die Frau an Seiner Seite

Die Frau an Seiner Seite

Titel: Die Frau an Seiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heribert Schwan
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Helmut Kohl sich selbst oft gerne genannt habe, den Kampf mit dem politischen Gegner aufzunehmen … Vielleicht sei es nach einem so langen politischen Leben, wie Helmut Kohl es geführt habe, wirklich zu viel verlangt, von heute auf morgen alle Ämter niederzulegen, sich völlig aus der Politik zurückzuziehen und den Nachfolgern, den Jüngeren, das Feld schnell ganz zu überlassen.
    Diesen Frontalangriff hat Helmut Kohl bis heute nicht überwunden. Gleiches galt zu Lebzeiten für Hannelore Kohl. Sie konnte den Bruch zwischen ihrem Mann und der politischen Aufsteigerin aus der früheren DDR nicht nachvollziehen. Für Hannelore stand außer Zweifel, dass hinter der ganzen Aktion Kohls Nachfolger an der Spitze der CDU, Wolfgang Schäuble, stand. Auf einer Sondersitzung des CDU-Präsidiums wurde der Ehrenvorsitzende Kohl kurz darauf einstimmig aufgefordert, die Namen derjenigen zu offenbaren, die ihm Spenden für die CDU gegeben hatten.
    Bei meinem Besuch am 29. Dezember 1999 im Hause Kohl traf ich auf eine zutiefst deprimierte Hannelore. Sie kannte ihren Mann zu gut und wusste, dass er niemals einlenken und die Namen der Spender nennen würde. Doch jetzt war guter Rat teuer. Wie sollte er reagieren, wie konnte der endgültige Bruch mit der CDU-Führung verhindert werden? Die Bereitschaft des schwer angegriffenen und zutiefst enttäuschten Helmut Kohl einzulenken, schien gegen Null zu tendieren. Reagieren musste er aber, die Frage war nur, wie. Beim gemeinsamen Abendessen entstand die Idee, ein Tagebuch zu schreiben, das den Zeitraum von der Wahlniederlage im September 1998 bis zum Ende des kommenden Jahres umfassen sollte. Sinn und Zweck eines solchen Unternehmens konnte nur der Versuch sein, Fehler einzugestehen und einleuchtend zu erklären, warum Helmut Kohl so und nicht anders gehandelt hatte. Gleichzeitig mussten die unsäglichen Verdächtigungen und bösartigen Unterstellungen zurückgewiesen werden und aus Kohls Perspektive widerlegt werden.
    Der Altkanzler stand der Idee zunächst skeptisch gegenüber. Er fragte sich, wer eine solche Streitschrift in Form eines Tagebuchs lesen würde. Anders Hannelore. Sie fand die Idee geradezu genial und war fest davon überzeugt, dass die Argumente, die in einem solchen Tagebuch vorgebracht werden könnten, nicht nur die Unionsmitglieder überzeugen, sondern vor allem die erbitterten Gegner der Lüge überführen würden. Davon ließ sich auch Kohl am Ende überzeugen.
    Mit den Vorarbeiten zur Rekonstruktion und Überarbeitung wichtiger Tagebuchaufzeichnungen wurde umgehend begonnen. Im November 2000 schließlich präsentierte der Altkanzler das 350 Seiten umfassende Werk mit dem Titel Mein Tagebuch , das als Verteidigungs- und Rechtfertigungsschrift Schlagzeilen machte.
    Auf der Rückreise von Ludwigshafen nach Köln erfuhr ich aus dem Radio, dass die Bonner Staatsanwaltschaft gegen den früheren CDU-Bundesvorsitzenden und Bundeskanzler ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue einleiten werde. Helle Aufregung im Berliner Kohl-Büro ebenso wie im Ludwigshafener Bungalow, als der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Aufhebung der Immunität eintraf.
    Silvester 1999 war ein Jahreswechsel der besonderen Art. Am Vormittag erfolgte in Moskau der Wechsel von Boris Jelzin zu Wladimir Putin. In einem ausführlichen Brief würdigte der Altkanzler die Leistungen seines Freundes Jelzin für die deutsch-sowjetischen Beziehungen und für sein Land. Am Abend traf das Ehepaar Kohl in Berlin ein und folgte der Einladung von Freunden zum Silvesterfest in einem großen Zelt neben dem Reichstag. Bewusst hatte Helmut Kohl mit der langjährigen Tradition gebrochen, im engsten Freundeskreis in Ludwigshafen den Jahreswechsel zu begehen. Gezielt mischte er sich unter das Volk, zeigte sich Weggefährten und treuen Freunden und demonstrierte nach außen hin seine ungebrochene Haltung. Die Frau an seiner Seite hätte sich am liebsten in ihrer Wohnung verkrochen, die Öffentlichkeit gemieden und über die kommenden Schritte zur Verteidigung ihres Mannes nachgedacht. Hier aber wurde sie jetzt stürmisch gefeiert, die Ovationen im Festzelt wollten nicht enden. Hannelore vermied alles, was ihre tatsächliche körperliche und seelische Verfassung hätte verraten können. Mit freundlichem Lächeln und äußerlich entspannt, präsentierte sie sich am Ende eines der schlimmsten Jahre ihrer über vierzigjährigen Ehe. Als die Berliner Glocken das neue Jahr einläuteten und die Silvesterraketen

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