Die Frau an Seiner Seite
Abteilungsleiterin, der Chefredakteurin und dem Justiziar habe man die Recherchen abgebrochen, »weil die Verbindung von mutmaßlichen Kohl-Spendern zur Hannelore-Kohl-Stiftung letztendlich nicht beweisbar war«.
Die Mittel und Methoden der Fernsehleute fand nicht nur Hannelore Kohl äußerst fragwürdig. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bonner ZNS-Zentrale waren entsetzt und zutiefst irritiert. Die beiden Herren Redakteure taten alles zur Verunsicherung, operierten nach Erinnerungen der Beteiligten mit Drohungen und Warnungen, wollten Hannelore Kohl in den Sumpf der CDU-Spendenaffäre tief hineinziehen. Diese mehrwöchigen WDR-Recherchen setzten Hannelore Kohl erheblich zu und führten bei ihr zu großer Unruhe, weil sie ihr Lebenswerk ernsthaft bedroht sah. Sie kämpfte im Jahr 2000 an mehreren Fronten gleichzeitig, was massiv an ihren Kräften zehrte. Sie fühlte sich mehr und mehr überfordert, zumal eine Hiobsbotschaft die andere jagte.
Bereits am 18. Januar 2000 war es zu einem großen Knall gekommen: Unmittelbar vor einer Sondersitzung des CDU-Bundesvorstandes war der amtierende Partei- und Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble in Helmut Kohls Berliner Büro erschienen. In seinen Memoiren berichtet der Altkanzler über einen zornigen und ungehaltenen Mann, wie er ihn noch nie erlebt hatte. Schäuble drohte mit seinem Rücktritt, wenn Kohl nicht endlich die Namen der Spender nannte. Er verstieg sich zu der Feststellung, der Altkanzler habe in Wahrheit überhaupt keine Spender und könne sie aus diesem Grund auch gar nicht namentlich nennen. In dieser heftigen Auseinandersetzung schleuderte Kohl Schäuble entgegen, so wie er, Schäuble, von Karlheinz Schreiber persönlich eine Spende über 100 000 D-Mark bekommen habe, so seien auch ihm gleichermaßen Spendengelder übergeben worden. Wie Kohl in seinem Tagebuch aus dem Jahr 2000 vermerkt, habe Wolfgang Schäuble äußerst aufgewühlt Kohls Zimmer verlassen und ihm noch zugerufen: »Dieses Büro werde ich in meinem Leben nie wieder betreten.«
In der darauf folgenden Sondersitzung des CDU-Präsidiums wurde mit großer Mehrheit beschlossen, Kohl seine Rechte als Ehrenvorsitzender abzuerkennen, falls er weiterhin nicht bereit sei, sein Schweigen zu brechen und die Namen der Spender offenzulegen.
Hannelore wusste von all diesen Vorgängen nichts. Erst aus der Tagesschau erfuhr sie, dass ihr Mann sich nach dem Ergebnis der Bundesvorstandssitzung entschlossen habe, den 1998 übertragenen Ehrenvorsitz der CDU Deutschlands niederzulegen. Er sehe sich außerstande, sein Versprechen, das er einigen Persönlichkeiten gegeben habe, die seine Arbeit in der CDU finanziell unterstützt hätten, zu brechen. Kohl betonte, er gehöre der Christlich-Demokratischen-Union seit nunmehr fünfzig Jahren an, sie sei und bleibe seine politische Heimat.
Was der Rücktritt vom Amt des Ehrenvorsitzenden für ihren Mann tatsächlich bedeutete, konnte nur Hannelore ermessen. Die Partei war seine Familie, sein Leben. Jetzt war alles abhandengekommen, wofür er seit Jahrzehnten gekämpft, gelebt, gesiegt und auch verloren hatte. Hannelore wusste, dass das Schlimmste eingetreten war, was sie sich vorstellen konnte. Der Super-Gau für den Altkanzler, der schwerstmögliche Schlag, mit dem auch sie zunächst nicht umzugehen wusste.
Vier Tage später meldete die Tagesschau, Paris habe im Zusammenhang mit dem Verkauf der Leuna-Raffinerie an den französischen Staatskonzern Elf-Aquitaine im Jahr 1992 rund 30 Millionen D-Mark für den Wahlkampf der CDU und ihren Vorsitzenden Helmut Kohl gespendet. Kohls Dementi und der Hinweis, dies alles sei frei erfunden und erlogen, konnten Hannelore nicht beruhigen. Sie schaltete das Fernsehgerät ab und ließ ihren Tränen freien Lauf. Selbst wenn alles erlogen wäre, so würde doch vieles an ihrem Mann und der ganzen Familie Kohl hängen bleiben. Hinzu kam, dass sich viele Weggenossen vom Altkanzler und seiner Frau abwendeten und dies auch demonstrativ zeigten. Die Familie Kohl kam sich vor, als ob sie von einer ansteckenden Krankheit befallen und deshalb zu meiden wäre.
Ende Januar 2000 wurde klar, dass für die von Helmut Kohl nicht gemeldeten Parteispenden – die etwas über zwei Millionen D-Mark betrugen – nach dem geltenden Parteiengesetz rund 6,3 Millionen D-Mark als Strafe von der CDU zu zahlen waren. Um den Schaden für die CDU möglichst gering zu halten, hatte Hannelore die Idee, die Millionensumme mit Hilfe von Spendern
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