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Die Frau an Seiner Seite

Die Frau an Seiner Seite

Titel: Die Frau an Seiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heribert Schwan
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vom November 1923 und diversen anderen Gedenktagen). Mit Wilhelm Renners Kirchenaustritt verloren auch Ehefrau Irene und Tochter Hannelore ihre bisherige Glaubenszugehörigkeit.
    Wilhelm Renner hatte wissentlich und willentlich Glaubenssätze der evangelischen Kirche über Bord geworfen. Die damals achtjährige Hannelore war von 1940 an nicht nur auf dem Papier ohne jegliche religiöse Bindung und christliche Orientierung. Sie hatte ohnehin noch nie ein Gotteshaus von innen gesehen und noch nie christliche Rituale wie Taufe, Hochzeit oder Beerdigung erlebt. Hannelore kannte keine Gebete, keine Kirchenlieder, keinen Kindergottesdienst. Gott, Glaube und Kirche waren für sie Fremdwörter. Dagegen wurden ihr mit Nachdruck Sekundärtugenden der NS-Ideologie vermittelt, die sie für ihr Leben stählen sollten.
    Die Renners blieben auch nach ihrer Übersiedlung in die Pfalz bei ihrer Angabe, »gottgläubig« zu sein. Im Melderegister findet sich das handschriftliche Kürzel »gg« bei allen drei Familienmitgliedern. Vater Renner schien die Zeichen der Zeit nicht erkennen zu wollen. Bei der Mutterstädter Meldebehörde unterstrich er seine Haltung als unbelehrbarer, uneinsichtiger Vertreter des alten Regimes und der untergegangenen Nazi-Diktatur. Dieses Verhalten, das in gewissem Gegensatz zu seinem sonstigen Bemühen stand, sein Rolle im Dritten Reich zu verbergen, sollte sich schon bald für Tochter Hannelore als äußerst nachteilig erweisen.
    * * *
    Wilhelm Renner war ein Pfälzer mit ausgeprägter Liebe zu seiner Heimat. Während seiner Berliner und Leipziger Jahre besuchte er mindestens einmal im Jahr seinen Geburtsort Mutterstadt und machte der Verwandtschaft als stolzer Fabrikdirektor in brauner Uniform seine Aufwartung. Besonders zugetan war er seinem Bruder August, der erfolgreich eine Fahrrad- und Motorradwerkstatt führte und sich als Motorrad-Künstler weit über die Grenzen der Pfalz einen Namen gemacht hatte. Hannelore war einer seiner größten Fans. Sie bewunderte Onkel Augusts sportliche Geschicklichkeit auf dem Motorrad mit Beiwagen der Marke »Triumph«. Sie liebte seine Zaubereien, Tricks und Kunststücke, die er mit großer Leidenschaft vor begeistertem Publikum auf Sportplätzen in der gesamten Pfalz vorführte. Die Regionalzeitungen berichteten euphorisch mit zahlreichen Fotos über den Mutterstädter Motorrad-Crack. In der Region war August Renner weit bekannter als der erfolgreiche Ingenieur, Konstrukteur und HASAG-Direktor Wilhelm Renner. Er blieb für die Ortsansässigen auch nach dem Krieg eine eher undurchsichtige Persönlichkeit, von der man wenig wusste. Heute erinnern sich nur noch wenige Mutterstädter an Hannelores Vater, der als stolzer und erfolgreicher Manager des NS-Rüstungsunternehmens mit seinem Sportwagen vorgefahren war und keinen Zweifel an seiner nationalsozialistischen Überzeugung ließ. Gern hatte er sich auch in seiner Geburtsstadt in seiner braunen Uniform gezeigt, die er als Mitglied des NS-Kraftfahrkorps oder des NS-Fliegerkorps trug. Gleiches galt für Hannelores Mutter Irene, die ihre politische Gesinnung und ihre NSDAP-Mitgliedschaft in der Leipziger gehobenen Gesellschaft zu keiner Zeit verheimlicht hatte. Nun waren die Uniformen längst entsorgt, Parteiabzeichen und belastende Dokumente vernichtet. Es galt, die politische Vergangenheit zu verschweigen und möglichst unauffällig durch die kommenden Jahre zu gelangen. Hannelores Vater selbst, so teilten Zeitgenossen mit, streute nach dem Krieg die Legende, er sei während des Dritten Reiches Mitglied der »Organisation Todt« gewesen. Mit dieser Lüge wollte er offenkundig von seiner Verstrickung als Direktor des HASAG-Konzerns in die Rüstungsproduktion ablenken, bei der es unter den Tausenden von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern aus deutschen Konzentrationslagern unendlich viele Todesopfer gab.
    Die »Organisation Todt« war eine nach militärischem Vorbild organisierte Bautruppe, die den Namen ihres Führers Fritz Todt trug. Sie unterstand dem Reichsminister für Bewaffnung und Munition sowie dem Nachfolgeministerium und wurde vor allem für Baumaßnahmen in den von Deutschland besetzten Gebieten eingesetzt. Bekannt wurde die militärisch eher harmlose »Organisation Todt« vor allem durch den Ausbau des »Westwalls«. Bis heute hält sich dieses Gerücht in Mutterstadt und wird von den wenigen, die sich an Wilhelm Renner erinnern, hartnäckig kolportiert. Welche Rolle Hannelores Vater in Leipzig

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