Die Frau an Seiner Seite
oftmals unverhofftem Besuch. Von ihrer Mutter, die selbst alles andere als eine begnadete Köchin war, hatte Hannelore die Grundregeln des Kochens gelernt. Darüber hinaus erhielt sie von ihrer Schwiegermutter »Nachhilfeunterricht« – Cäcilie machte sich Sorgen, dass ihr geliebter Sohn Hunger leiden könnte. Manchmal brachte sie bei ihren Besuchen vorsorglich gleich eine komplette Mahlzeit für zwei Personen mit. Gelassen nahm Hannelore solche Verletzungen hin und versuchte, all das, was sie vermeintlich nicht beherrschte, zu erlernen. Ihr Mann verstand vom Kochen nichts, wusste allerdings ganz genau, was ihm schmeckte. Hin und wieder besuchte er ohne Hannelores Wissen seine Mutter, um die seit Kindesbeinen gewohnte Hausmannskost zu genießen.
Als Gastgeberin in der Tiroler Straße musste Hannelore sehr schnell Fertigkeiten erwerben, die ihr Sicherheit gaben und sie nicht in Verlegenheit bringen konnten. Denn Helmut liebte es, mit Freunden – durchweg Parteifreunde –, nach Hause kommen zu können, wo ihn eine gut gelaunte und gepflegte Frau in Empfang nahm und für das leibliche Wohl sorgte. Sein Selbstwertgefühl stieg spürbar, wenn die Freunde voll des Lobes waren über Hannelores perfekte Bewirtung und freundliche Aufnahme.
Die junge Ehe war von Anfang an geprägt vom klassischen Rollenverständnis der Zeit. Hannelore fügte sich Helmuts Vorgaben und fühlte sich dabei keineswegs unwohl. Diese Rollenverteilung hatte sie als Kind schon bei ihren Eltern erlebt und fand nichts dabei, nach den gleichen Prinzipien zu leben. Helmut machte von Anfang an keinen Hehl daraus, dass sich im Hause Kohl alles um ihn und seine künftige Karriere drehen würde.
Obschon erst seit kurzem im Mainzer Parlament, galt der Dreißigjährige als Hoffnungsträger der stark überalterten rheinland-pfälzischen CDU. Nach internen Machtkämpfen wählten ihn die Abgeordneten zunächst zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, ab Oktober 1961 führte er inoffiziell die CDU-Fraktion im Landtag an. Der Amtsinhaber war schwer erkrankt und daher nicht in der Lage, den Posten auszufüllen. Mit 33 Jahren erlangte er eine für sein Alter ungewöhnliche Machtfülle, als er Anfang Mai 1963 mit 38 von 41 Stimmen der Abgeordneten zum CDU-Fraktionschef im rheinland-pfälzischen Landtag gewählt wurde. Hannelore, zwar stolz auf ihren Mann, betrachtete die Entwicklung mit einem gewissen Unbehagen. Sie wusste längst, dass ihr Mann nach noch Höherem strebte und rechnete damit, in Zukunft stärker auf seine Anwesenheit verzichten zu müssen. Zu groß war der zeitliche Arbeitsaufwand, den Helmut für seine Tätigkeit beim Chemieverband und im Mainzer Landtag aufbringen musste. Doch als Heimchen am Herd in Ludwigshafen zu versauern und die Zeit allein mit ihrer Mutter in der Tiroler Straße verbringen zu müssen, war ihr zutiefst zuwider. Sie unternahm das, was sie auch als Single jahrelang gemacht hatte. Sie verabredete sich mit zwei vertrauten ehemaligen Klassenkameradinnen, traf sich mit ehemaligen BASF-Kolleginnen, ging ins Kino und ab und an ins Ludwigshafener Theater. Mit Vergnügen präsentierte sie ihren Freundinnen das neue Eigenheim, erklärte stolz von ihren Erlebnissen während der Bauphase und verwöhnte sie mit Kaffee und Kuchen, Tee und Gebäck. Noch heute schwärmen die Gäste von Hannelores Gastfreundschaft – und beschreiben eine junge Ehefrau, die endlich wie ein glücklicher Mensch wirkte. Hannelore schien an einem Punkt angelangt, an dem sie einen Gutteil dessen, was sie unter einem schönen Leben verstand, verwirklicht hatte. Als Helmut der Tiernärrin auch noch den Wunsch erfüllte, einen Hund zu besitzen, war sie überglücklich. Dass ihr Mann gleich einen teuren und bereits abgerichteten Polizeihund mitbrachte, war allerdings eine Überraschung. Der legendäre Schäferhund namens »Igo« wurde, wie zu Kindertagen Dackel »Dorli«, Hannelores treuester Begleiter. Er gehorchte ihren Befehlen aufs Wort, wurde wie ein Familienmitglied behandelt und sehr verwöhnt. Später machte noch eine zugelaufene Katze aus der Nachbarschaft die vierbeinige Menagerie im Hause Kohl komplett.
Hannelore, die während ihrer Schulzeit eher als Außenseiterin gegolten hatte, bemühte sich nun sehr um die Kontaktpflege zu ihren ehemaligen Koabiturientinnen. Aus Anlass des zehnjährigen Jubiläums ihrer Reifeprüfung organisierte sie im Jahr des Berliner Mauerbaus 1961 ein erstes Klassentreffen, das sich unter ihrer Federführung zu einer festen
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