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Die Frau an Seiner Seite

Die Frau an Seiner Seite

Titel: Die Frau an Seiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heribert Schwan
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Tradition entwickelte. Im Laufe der Jahre organisierte sie die Zusammenkünfte an den verschiedensten Orten. Das letzte Klassentreffen, zu dem sie persönlich eingeladen hatte, fand vier Monate vor ihrem Tod in Mannheim statt.
    Aus der Außenperspektive betrachtet konnte Hannelore glücklich sein. Mit dem Hausbau hatte sie Verlorenes wiedererrichtet und endlich das Zuhause, nach dem sie sich so sehr gesehnt hatte. Sie spürte die Wärme und Zuneigung ihres Mannes und pflegte bei allen unausgesprochenen Vorbehalten gegenüber der ostdeutschen »Protestantin« eine freundliche Beziehung zu den Schwiegereltern. Mit dem komplizierten Verhältnis zu ihrer Mutter musste sie indes leben, ohne einen Ausweg aus dieser anhaltenden Belastung zu sehen.
    Anfang Juli 1962 brach für Hannelore eine Zeit an, die ihr nicht nur viel abverlangte, sondern auch gewisse Privilegien bescherte: Helmut bekam einen Dienstwagen mit Chauffeur. Der heimliche Fraktionschef verfügte von nun an auch über die äußeren Insignien der Macht. Helmut Kohl war es gelungen, den Fahrer eines befreundeten Ludwigshafener Industriellen für sich zu gewinnen. Der Mann hieß Eckard Seeber, war ausgebildeter Fallschirmspringer und hatte als Obergefreiter Kommandeure bei der Bundeswehr gefahren. »Ecki«, wie er von seinem neuen Chef liebevoll genannt wurde, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer unverzichtbaren Stütze für die Familie Kohl. Zur Gattin des Mainzer Fraktionsvorsitzenden und späteren Ministerpräsidenten, des Oppositionsführers in Bonn und des Kanzlers der Bundesrepublik Deutschland pflegte Ecki Seeber 39 Jahre lang ein sehr enges Arbeits- und Vertrauensverhältnis. Die Sympathien beruhten auf Gegenseitigkeit. Seeber war es schließlich auch, der zusammen mit seiner Frau Hilde Hannelore nach ihrem Selbstmord tot im Bett fand und Helmut Kohl informierte.
    Mit der Entscheidung, Politik zu seinem Beruf zu machen, begann nicht nur für Helmut Kohl ein Leben nach dem viel zu vollen Terminkalender. Hannelore musste sich nach den Erfordernissen der politischen Arbeit ihres Mannes richten, wurde oft in ein Zeitkorsett gezwängt, ohne sich dagegen wehren zu können. Die freie Zeit ihres Mannes war schon damals so begrenzt, dass gemeinsame Unternehmungen immer seltener wurden. Das viele Alleinsein zehrte an ihr, die Stunden mit Freundinnen und Kolleginnen waren zu selten, als dass sie die Leere hätten füllen können. So kam die gute Nachricht genau zur rechten Zeit. Im Spätherbst 1962 war die Freude groß, als sie ihrem Mann verkünden konnte, dass sie schwanger sei. Sie hatte ein Haus bauen und Bäume pflanzen lassen, ein Nest hergerichtet. Jetzt empfand sie die Schwangerschaft als wunderbares Geschenk – eine neue Rolle, die Erfüllung versprach. Auch Helmut war glücklich, als Dreiunddreißigjähriger Vaterfreuden entgegenzusehen. Das hatte er sich schon lange gewünscht, nicht nur weil Kinder zum Image einer vorbildlichen Politikerfamilie gehörten. Es erfüllte ihn mit Stolz, Vater zu werden. Zu Hannelores Rollenverständnis gehörte ohnehin der Wunsch nach Kindern, die Aufgabe als Hausfrau und Mutter entsprach nicht nur ihrem Lebensentwurf, sondern dem der Zeit. Nach allem, was sie bisher an Höhen und Tiefen erlebt, in welche Abgründe sie geblickt hatte, zeichnete sich für sie nun eine hoffnungsvolle Zukunft ab.
    Aus Helmut Kohls Memoiren wissen wir, dass Hannelores Schwangerschaft nicht ohne Komplikationen verlief. Seit der schweren Verletzung auf der Flucht 1945 litt sie an immer wiederkehrenden Rückenschmerzen, die sich gerade jetzt als besonders belastend erwiesen. In den letzten Wochen der Schwangerschaft musste sie häufig das Bett hüten und konnte sich nur noch langsam von der Stelle bewegen. Außerdem kämpfte sie gegen Schmerzattacken und Muskelverkrampfungen, die sie immer wieder außer Gefecht setzten. Von der Mutter zu Härte gegen sich selbst erzogen, keine Schwächen zuzulassen und schon gar nicht Mitleid erregen zu wollen, stemmte sie sich verbissen gegen ihre Schmerzen, ohne ein Wort darüber zu verlieren.
    Am 16. Juli 1963 kam der Stammhalter zur Welt, ein gesunder und kräftiger Junge. Nach stundenlangen Wehen bei unerträglicher Sommerhitze war es endlich soweit: vorbei die Qualen der schwierigen Schwangerschaft, vorbei die Sorgen um die Unversehrtheit des Neugeborenen. Über die Namensgebung hatten die glücklichen Eltern vor der Geburt des Sohnes mehrfach diskutiert. Am Ende überließ Helmut seiner Frau die

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