Die Frau an Seiner Seite
Überraschung belohnten die Bürger ihren Regierungschef und seine CDU mit einem überwältigenden Wahlergebnis: 53,9 Prozente der Wählerstimmen und damit 55 Landtagsmandate gingen an die Christdemokraten. Die absolute Mehrheit. Die Landes-CDU unter Helmut Kohl erzielte das beste Resultat, das sie bei Landtags- und Bundestagswahlen je erreicht hatte.
Der Wahlabend wollte nicht enden. Wie in einem Rausch feierte die Partei mit ihrem Spitzenpersonal den unverhofft hohen Sieg. Mittendrin Hannelore, die First Lady von Rheinland-Pfalz. Für sie schien es ausgeschlossen, dass ihr Mann jetzt, angesichts dieses überwältigenden Erfolges, über bundespolitische Ambitionen nachdenken könnte. Dieser hohe Wahlsieg verpflichtete ihn, dem Wählerauftrag zu folgen und seine vom Wahlvolk bestätigte Politik als Ministerpräsident einer CDU-geführten Landesregierung fortzusetzen. Hannelores Ansicht wurde von einer breiten Mehrheit der CDU-Mandatsträger und -Funktionäre geteilt. Und noch tat der umjubelte Wahlgewinner auch so, als sähe er seine politische Zukunft in der Mainzer Staatskanzlei. Tatsächlich hatte er mit dieser gewonnenen Landtagswahl eine erste wichtige Hürde genommen, um bei der Bundestagswahl im darauf folgenden Jahr als Kanzlerkandidat der Unionsparteien ins Rennen gegen den amtierenden Bundeskanzler Helmut Schmidt zu gehen.
Wenige Wochen nach der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz schuf der CDU-Bundesvorstand Klarheit. Nachdem der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg überraschend auf eine Bewerbung um die CDU-Kanzlerkandidatur für die Bundestagswahl 1976 verzichtet hatte, stimmte das 25-köpfige CDU-Spitzengremium ohne Enthaltung und ohne Gegenstimme für Helmut Kohl als Kandidaten der Union für das Amt des Bundeskanzlers. Im Vorfeld hatte der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß zwar noch versucht, CDU-Fraktionschef Karl Carstens für eine Kanzlerkandidatur zu gewinnen. Doch der spätere Bundespräsident hatte das Angebot abgelehnt.
Hannelore Kohl erfuhr von dieser wichtigen Weichenstellung aus dem Radio. Erst später rief ihr Mann bei ihr an, um sie über die neue Faktenlage zu informieren. Er hatte, wie so oft, eine weit reichende Entscheidung ohne vorherige Absprache getroffen. Hannelore ahnte, welche neuen Belastungen nun auf die Familie zukommen würden; sie war enttäuscht, wütend und wusste gleichzeitig, dass sie nichts an der Entscheidung ihres Mannes würde ändern können. Es blieb ihr trotz vielfacher Bedenken nichts anderes übrig, als ihren Mann bei seinem nächsten Karriereschritt zu unterstützen.
Auf dem Mannheimer Parteitag Ende Juni 1975, der unter dem Leitmotiv »Alternative 76 CDU« stand, erlebten die Delegierten tatsächlich eine fröhliche, ja beinahe aufgekratzte Hannelore Kohl. Diesmal stand auch die Neuwahl der Parteispitze auf der Tagesordnung. Als das Ergebnis für ihren Mann mit 98,44 Prozent der Stimmen der Parteitagsdelegierten bekannt gegeben wurde, ließ sich selbst Hannelore von den überschäumenden Emotionen anstecken. Sie fiel ihrem Mann spontan und mit einer Herzlichkeit um den Hals, wie es langjährige Weggenossen des CDU-Spitzenkandidaten noch nie gesehen hatten.
Nach diesem Triumph warf sie ihre Vorbehalte, die sie gegen Helmuts bundespolitisches Engagement hatte, endgültig über Bord und orientierte sich an den neuen Fakten. Fortan wollte sie ihren Mann engagiert auf dem steilen Weg in eine risikoreiche politische Zukunft begleiten und ging mit großen Erwartungen in das Wahljahr 1976, das nach Helmuts eigenen Worten physisch wie psychisch eines der anstrengendsten seines Lebens war. Nie zuvor hatte sich die Mainzer First Lady so sehr in den CDU-Wahlkampf eingebracht wie diesmal. Die Dreiundvierzigjährige erwies sich allein durch ihre Präsenz bei großen Wahlauftritten als beste Werberin für die christlich-demokratische Politik des CDU-Kanzlerkandidaten. Trotz körperlicher Strapazen, trotz begrenzter Zeit wegen der Fürsorge für ihre Kinder, trotz der Angst vor terroristischer Bedrohung: Die attraktive und engagierte Mainzer Landesmutter wollte es nun wissen und mit mutigen öffentlichen Auftritten an der Seite ihres Mannes für die Union werben. Es machte ihr offensichtlich richtig Spaß, über die Landesgrenzen hinaus auf bundespolitischer Ebene im Glanz der Scheinwerfer zu stehen und um Zustimmung für ihren Mann zu kämpfen. Oft genügten schon ein freundliches Lächeln und aufmunternde Gesten, um das Wahlvolk
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