Die Frau an Seiner Seite
seinem Mitstreiter Wilhelm Kaffsack gründete der umtriebige Schapper auch den ZNS-Förderkreis Langenfeld. Die Kleinstadt im Kreis Mettmann mit ihren knapp 60 000 Einwohnern verfügt seit dieser Zeit über den einzigen Förderkreis für die »ZNS-Stiftung Hannelore Kohl« – wie sie heute heißt – in Deutschland. Seitdem unterstützt der Förderkreis Hannelores Initiative unermüdlich und kontinuierlich mit Spenden. Zwar konnte Hannelore aus terminlichen Gründen nicht zum ersten ZNS-Sommerfest 1989 erscheinen, besuchte aber fortan, wann immer sie es einrichten konnte, die sich rührend engagierenden Langenfelder. Ob zum Sommerfest, zu Open-Air-Konzerten oder zum Geburtstag von Gründer Wolfgang Schapper: Hannelore kam gerne und oft ins Rheinland und lud im Gegenzug die Langenfelder Förderer mehrmals in den Bonner Kanzlerbungalow ein. Insgesamt hat das Engagement des Langenfelder Förderkreises inzwischen über 415 000 Euro an Spendengeldern erbracht, pro Jahr im Durchschnitt 20 000 Euro. Wolfgang Schapper unterstreicht immer wieder, dass jeder Euro, der in Langenfeld gesammelt wird, direkt den Menschen zugutekommt, die nach einem schweren Unfall wieder ins Leben zurückfinden müssen. Das ehrenamtliche Engagement des Vereins wurde von Hannelore bis zu ihrem Tod besonders gewürdigt.
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Zwar war Hannelore eine großartige Spendensammlerin, aber das allein brachte ihr nicht die große Erfüllung. Sie wollte mit ihrem Einsatz festgefahrene Einstellungen ändern, die öffentliche Meinung beeinflussen und die Schicksale der Betroffenen stärker in den Fokus rücken. Bei ihrer Arbeit hatte sie immer wieder feststellen müssen, wie sehr das Thema nach wie vor tabuisiert wurde, wie sehr sie immer wieder an Grenzen stieß, wenn das Gespräch auf Menschen mit Verletzungen des Gehirns kam. Während Menschen mit körperlichen Behinderungen am Arbeitsleben in einem gewissen Rahmen teilhaben konnten, galt das Wort »hirngeschädigt« im Bewerbungsschreiben eines Arbeitssuchenden lange Zeit beinahe als sicheres Aus. Die Betroffenen und deren Angehörige mussten sich nicht nur mit gesundheitlichen Problemen auseinandersetzen, sondern auch mit massiven Existenzängsten zurechtkommen. Erst, wenn erkannt wurde, dass diese Menschen nicht einfach aus dem Leben gefallen waren, sondern weiterhin Aufgaben übernehmen konnten, wäre ein weiteres wichtiges Ziel des Kuratoriums erreicht worden.
Hannelore wusste, dass sie mit ihrem Werben für die Anliegen des ZNS manchmal auf einem schmalen Grat wandelte. Bei all ihren Veranstaltungen, bei Schirmherrschaften und Begrüßungsreden musste sie sich davor hüten, als »Stimmungskiller« aufzutreten. Sie musste einen Weg finden, mit sorgfältig abgewogenen Worten einerseits Betroffenheit über das Schicksal der Hirngeschädigten zu erzeugen, diese Betroffenheit aber gleichzeitig nicht so weit zu treiben, dass sich diese bleiern über den ganze Abend legte. Mit der Zeit beherrschte die ZNS-Präsidentin den Spagat zwischen fundierter Aufklärung bei Wahrung der vergnüglichen Benefizatmosphäre perfekt. Es gelang ihr scheinbar mühelos, mit irgendeinem Joker die Stimmung aus tiefer Betroffenheit in Feierlaune umzuwandeln. Sie konnte Menschen dazu bewegen, ihr Herz für einen guten Zweck zu öffnen und Anteil zu nehmen, ohne darüber die schönen Seiten des Lebens zu vergessen. Dabei kam ihr zugute, dass sie eine besondere Fähigkeit besaß, Stimmungen unmittelbar zu erfassen und darauf zu reagieren. Gepaart mit Zielstrebigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Verlässlichkeit, Disziplin und vor allem Sachverstand, gelang es ihr, Laien und Fachpublikum gleichermaßen für die Arbeit ihres Kuratoriums zu begeistern. Gebetsmühlenartig wies sie bei Veranstaltungen auf Unfallgefahren hin und forderte Verbesserungen bei der Prävention – und das zeigte Wirkung. Der Ausbau von Intensiv- und Rehabilitationsbehandlung wäre ohne ihr Wirken so nicht möglich gewesen. Auch die Förderung der neurologischen Forschung und die Unterstützung der Angehörigen von Betroffenen sind mit ihrem Namen untrennbar verbunden.
Wie nachhaltig Hannelore Kohls 18 Jahre andauernde Arbeit heute noch Wirkung zeigt, dokumentiert ein Fall aus dem Jahr 2008. Der 46-jährige Guido Senge aus Lohmar in der Nähe von Köln, Diplomingenieur mit Schwerpunkt Fahrzeugtechnik in ungekündigter Stellung, frönte wieder einmal seinem teuren Hobby. Mit seinem Motorrad nahm er am 13. Mai 2008 an einem Rennen auf dem Nürburgring
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