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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ermitteln, den sie benutzt haben. Es sieht also ganz so aus, als wäre Ihr Bruder Martin nicht entlassen worden, doch wissen wir nicht, wo er sich aufhält oder warum er Ihnen nichts darüber mitgeteilt hat.«
    Tilda sah sie fragend an. Offensichtlich kostete es sie Mühe zu verstehen, was das bedeutete. »Wenn se nich in Frankreich sind, wo sind se dann?«
    »Das wissen wir nicht, werden uns aber bemühen, das festzustellen«, sagte Charlotte. »Gibt es noch etwas, was Sie uns über Ihren Bruder oder Mr Stephen berichten können?« Sie erkannte die Verwirrung auf Tildas Zügen und wünschte, sie hätte die Möglichkeit, sich deutlicher auszudrücken, doch wusste sie selbst nicht, wonach sie fragen sollte. »Versuchen Sie zu überlegen, was Ihnen Ihr Bruder über die Familie Garrick und ganz besonders über Stephen Garrick gesagt hat. Er hat doch gewiss mitunter über sein Leben dort gesprochen.«
    Es sah aus, als werde Tilda jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. Sie gab sich große Mühe, ihre Angst und das Gefühl von Einsamkeit zu unterdrücken, das sie empfand. Sie hatte keinen
Angehörigen mehr außer ihrem Bruder. Auf ihn konzentrierten sich all ihre Erinnerungen, denn die Eltern waren so früh gestorben, dass sie nichts mehr von ihnen wusste.
    Gracie beugte sich vor, ohne auf die Tasse Tee zu achten, die ihr Tellman eingegossen hatte.
    »Das is nich der richtige Augenblick, was für dich zu behalten«, drängte sie. »Angehörigen sagt man doch alles. Bestimmt hat er dir was über das Leben im Haus gesagt, denn er hat dir doch sicher vertraut. War das Essen gut? Hatte die Köchin schlechte Laune? War der Butler ’n Miesepeter? Wer hatte zu sagen – die Hausdame?«
    Tilda entspannte sich ein wenig, und ein leises Lächeln umspielte ihre Lippen. »Nee, die nich«, sagte sie. »Un der Butler hat dem Gnädigen immer nach’m Mund geredet. Aber wehe, wenn der mal nich da war: Dann kriegten die andern aber was zu hören! Jedenfalls hat mir Martin das gesagt. Der Butler hat das Personal nach Strich und Faden kujoniert, nur Martin nich, wegen Mr Stephen. Er war doch der Einzige, der sich um ihn kümmern konnte, un die andern wollten das auch gar nich, ha’m immer nur ganz hilfsbereit getan.«
    »Warum wollten sie nicht helfen?«, fragte Charlotte. »War er schwierig?«
    »Wenn der seine wild’n fünf Minut’n hatte, war er unausstehlich«, sagte Tilda ganz ruhig. »Aber Martin würd mir nie verzeih’ n, wenn er dahinterkäm, dass ich das gesagt hab! Man darf auf kein’ Fall weitertratsch’n, was bei den Herrschaft’n passiert, sonst findet man nie wieder Arbeit. Da sitzt man ganz schnell auf ’er Straße, und kein Mensch will noch was von ei’m wiss’n. Außerdem gehört sich das nich, weil das Vertrauensbruch is.« Sie sprach mit leiser Stimme, als mache sie sich schon durch diese Äußerung schuldig.
    »Was meinen Sie mit ›wilde fünf Minuten‹?«, fragte Charlotte, bemüht, so neutral zu sprechen, als gehe es um ein Kochrezept.
    »So genau weiß ich das auch nich«, sagte Tilda so freimütig, dass ihr Charlotte glauben musste.
    Tellman stellte seine Tasse hin. »War Ihr Bruder früher schon einmal mit Mr Stephen irgendwo in den Ferien?«
    Tilda schüttelte den Kopf. »Davon weiß ich nix, sonst hätt ich’s gesagt.«
    »Was ist mit Freunden?«, fuhr Tellman fort. »Wo hat der junge Garrick seine Freizeit verbracht? Was hat er getan – hat er sich mit Musik oder Sport beschäftigt, mit Frauen, was auch immer?«
    »Weiß nich«, sagte sie betrübt. »Dem is es ziemlich dreckig gegang’n. Martin hat gesagt, er hätt an nix Freude. Er hat schlecht geschlaf’n und entsetzlich geträumt. Der war wohl ziemlich krank.« So leise, dass man sie kaum hören konnte, fügte sie hinzu: »Martin hat gesagt, er wollte ’nen Priester für ihn suchen ... einen, der sich um frühere Soldat’n kümmert.«
    »Einen Priester?«, fragte Tellman überrascht. Er warf einen Blick zu Gracie und Charlotte hinüber, dann sah er Tilda erneut an. »Wissen Sie, ob Mr Garrick fromm ist?«
    Tilda überlegte einen Augenblick. »Ich ... glaub schon«, sagte sie bedächtig. »Sein Vater jedenfalls is fromm — hat Martin gesagt. In dem Haus geht’s zu wie bei ’nem Pfarrer. Die Dienstbot’n bet’n je’n Morg’n und je’n Abend. Und vor jeder Mahlzeit. Je’nfalls die meist’n. Das is aber noch nich alles. Jeder im Haus musste ganz früh aufsteh’n un sich kalt wasch’n und immer besonders sauber sein. Martin hat

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