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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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anderen wusste er nicht nur, dass Pitt Opfer einer Intrige war, sondern auch, wer dahinter steckte. Doch nicht nur deshalb lehnte er Pitts Nachfolger Oberinspektor
Wetron ab. Alles, was seit dessen Amtsantritt geschehen war, zeigte ihm, dass dem Mann weniger daran lag, Verbrechen aufzuklären, als daran, seinen persönlichen Ehrgeiz zu befriedigen. Und Tellman war nicht von der Überzeugung abzubringen, dass Wetron insgeheim danach strebte, sich an die Spitze der schrecklichen Geheimorganisation zu setzen, von der in der Öffentlichkeit außer dem Namen »Der Innere Kreis« nichts bekannt war. So war es nicht weiter verwunderlich, dass er seinem neuen Vorgesetzten zutiefst misstraute.
    Gracie wusste, dass Pitt eine solche Entwicklung ebenso befürchtete wie Tellman, doch wagte sie nicht, mit einem der beiden offen darüber zu reden, da sie zu diesem Thema nur hier und da Gesprächsfetzen erhascht hatte. Während sie jetzt zu Tellmans Tisch hinübersah, fragte sie sich, wie sehr ihn diese Sache bedrücken mochte. Auch wenn er das nie zugegeben hätte, war an ihm nichts von der Selbstsicherheit zu erkennen, die er in der Zeit der Zusammenarbeit mit Pitt meist an den Tag gelegt hatte.
    Auf ihrem Weg durch die volle Gaststube musste sie sich immer wieder mit den Ellbogen Platz schaffen. Da sie so klein war, schien niemand sie zu beachten. Kurz bevor sie Tellmans Tisch erreichte, hob er den Kopf und sah sie. Ein Ausdruck von Besorgnis trat auf seine Züge, als könne ihre Anwesenheit nur unangenehme Nachrichten bedeuten.
    »Nanu, Gracie? Was gibt es?« Er stand automatisch auf, hielt es aber nicht für erforderlich, sie mit seinem jungen Begleiter bekannt zu machen.
    Insgeheim hatte sie gehofft, er werde sich freuen, sie zu sehen, und sie könne unauffällig ansprechen, weshalb sie gekommen war. Sie musste sich eingestehen, dass sie ihn bisher unaufgefordert immer nur dann aufgesucht hatte, wenn sie seine Hilfe gebraucht hatte, während sie, wenn es um rein persönliche Angelegenheiten ging, stets gewartet hatte, bis er das Wort ergriff. Tatsächlich war sie anfangs ausgesprochen unwillig gewesen, ihm mehr als eine abweisende Art von Freundschaft zu gewähren. Nicht nur war er ein Dutzend Jahre älter als sie, er hatte auch überaus dogmatische
Vorstellungen, die obendrein den ihren für gewöhnlich zuwiderliefen. So äußerte er sich abfällig darüber, dass sie als Dienstmädchen tätig war, denn das widersprach seinen Grundsätzen von der Gleichheit aller Menschen in der Gesellschaft. Sie hingegen sah in dieser Arbeit nicht nur eine außerordentlich ehrenhafte Art, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sie ermöglichte ihr überdies ein so behagliches Leben, wie sie es zuvor nicht gekannt hatte. Sie sah darin nichts Erniedrigendes und warf ihm Überempfindlichkeit und maßlosen Stolz vor.
    Diesmal zwang sie sich zu größerer Höflichkeit, als sie eigentlich für angemessen hielt. In Anwesenheit eines Untergebenen musste sie ihn achtungsvoll behandeln.
    »Ich bin gekomm’n, weil ich ’n Rat brauch«, sagte sie in sanftmütigem Ton. »Ich hoff, dass Se ’ne halbe Stunde oder so für mich übrig ha’m.«
    Erst verblüffte ihn ihre ungewohnte Zuvorkommenheit, dann aber begriff er, dass sie ihn vor dem Streifenbeamten nicht herabsetzen wollte. Sein hageres Gesicht nahm ein wenig weichere Züge an, und er sagte mit einer Spur Humor in der Stimme: »Das lässt sich bestimmt einrichten. Ist Mrs Pitt wohlauf?« Er fragte das nicht aus Höflichkeit, sondern in erster Linie, weil er Charlotte gut leiden konnte. Nur wenige Menschen standen ihm näher als Gracie und Pitts Frau. Seine hölzerne und stolze Art war der Grund dafür, dass er ziemlich einsam lebte und es ihm nicht leicht fiel, Freundschaft zu schließen. Anfangs hatte er Pitt gegenüber starke Vorbehalte gehabt, da die Position des Leiters einer Polizeiwache, noch dazu, wenn es um die berühmte Wache in der Bow Street ging, seiner festen Überzeugung nach ausschließlich Männern von Stand oder ehemaligen Offizieren aus Heer oder Marine zustand. Der Sohn eines Wildhüters verfügte in seinen Augen weder über die Fähigkeiten, die nötig waren, um andere Menschen zu führen, noch durfte er Anspruch darauf erheben, dass ihn Männer wie Tellman mit »Sir« anredeten. Aus diesem Grund war ihm seinem einstigen Vorgesetzten gegenüber jede Form der Ehrerbietung im Halse stecken geblieben, und Pitt hatte sich Tellmans Achtung
Schritt für Schritt erkämpfen müssen. Als er

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