Die Frau aus dem Jenseits!
und machte eine Bewegung, als wolle er fliehen.
Kraftlos sackte er auf die Couch zurück.
Sein entsetzter Blick war jedoch weder auf seine Frau noch auf seine Kinder gerichtet, sondern auf die gegenüberliegende Wand.
David folgte dieser Richtung mit den Augen.
Zu spät erkannte er die Falle!
Genauso wie bei seinem Versuch, das Haus durch die Vordertür zu verlassen, hatte er das Gefühl, in ein Vakuum gesogen zu werden, nur mit einem Unterschied.
Diesmal existierte etwas in diesem Nichts!
An sich eine Unmöglichkeit, aber einerseits befanden er und die Mitglieder der Familie Bartenstein sich schlagartig in einem endlosen dunklen Raum. Anderseits erlebten sie mit, wie ein altmodisch anmutendes Auto über eine dunkle Straße fuhr.
Zwei Menschen saßen in dem Wagen, ein Mann und eine Frau. Auf dem Rücksitz ein Kindersitz mit einem nur wenigen Monate alten Mädchen. Im Näherkommen erkannte er Aurelius am Steuer, nur sah er wesentlich jünger aus als jetzt. Die Frau neben ihm war Dagmar Böhm – nein, David korrigierte sich. Das konnte nicht das Bild von Dagmar Böhm sein, das war Selina von Bartenstein.
Im gleichen Augenblick begriff er auch, was sich vor seinen Augen abspielte.
Nicht nur er, auch die anderen im Arbeitszimmer Anwesenden erlebten den Tod Selinas mit.
Das alles hatte sich vor über fünfundzwanzig Jahren abgespielt. Nur durch die Kraft von Selinas Geist wiederholte sich die Szene.
Das Auto wurde größer und größer, bis David den Eindruck hatte, es würde im nächsten Moment seinen Kopf zermalmen. Doch genau in diesem Augenblick schwenkte es plötzlich seitlich weg.
Ein donnerndes, ohrenbetäubendes Krachen löschte jede andere Empfindung aus. Dann trat absolute Stille ein, in die gleich darauf die entsetzlichen Schreie der Frau und des kleinen Mädchens schnitten.
Die Frau brüllte ihre Angst, ihre Schmerzen und ihre Verzweiflung in die finstere Leere, dass David sich die Ohren zuhalten wollte.
Er konnte es nicht, sein Körper existierte in dieser Scheinwelt nicht. Hilflos musste der die Folter über sich ergehen lassen, musste mitanhören, wie Selinas Schreie schwächer und schwächer wurden, in ein Jammern und Stöhnen übergingen und endlich verebbten.
Nur mehr die totale Auflösung des Todes umgab alles.
Neue Schreie klangen auf, schriller noch als die nicht realen Schreie der Sterbenden in der dieser Scheinwelt, hysterischer und verzweifelter.
David strich sich über die Augen, um die Bilder zu vertreiben, die ihn gepeinigt hatten.
Er fühlte seine Hände wieder!
Der beängstigende Zustand war vorbei! Die Schreie waren echt!
Desiree von Bartenstein war es. Sie hielt die Fäuste gegen ihren Mund gepresst. Ihr Gesicht war rot angelaufen und zu einer Maske des Grauens verzerrt. In ihren Augen stand blanker Wahnsinn. Das eben Erlebte war zuviel für ihre schlechten Nerven und ihr vom Alkohol umnebeltes Gehirn gewesen.
David schaute kurz in ihre Richtung. Niemand half der Frau. Aurelius kauerte auf der Couch, noch ganz gefangen von dem Unfall, den er vor vielen Jahren selbst verschuldet und ihn ein Leben lang verfolgt hatte.
Henri und Louise standen wie betäubt neben ihrer Mutter.
Der Privatdetektiv war nicht einmal sicher, dass sie die Schreie ihrer Mutter überhaupt hörten.
Mit einem Sprung war David bei der Frau des Architekten und versetzte ihr eine schallende Ohrfeige. Gleichzeitig packte er sie am Arm, damit sie nicht fiel.
Desiree blieb der Schrei in der Kehle stecken. Aus großen Augen schaute sie den Privatdetektiv an, dann sank sie schluchzend in die Knie.
25
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Bis zum Wochenende musste er noch Nachtdienst schieben, dann hatte er auch das hinter sich.
Kriminalhauptkommissar Schubert fluchte in sich hinein, weil er den Nachtdienst mehr hasste als alles andere. Lieber kroch er tagsüber bei strömenden Regen auf einer Müllkippe herum, auf der man eine Leiche gefunden hatte, als nachts in seinem Büro zu sitzen.
Sozusagen als Strafverschärfung betrachtete er es, als das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte. Wenn es einen Anruf um Mitternacht gab, bedeutete das unweigerlich Ärger.
Sein Instinkt hatte ihn nicht betrogen.
Er hörte nur ein paar Sätze des Anrufers, dann riss es ihn auch schon vom Stuhl hoch.
„Sagen sie das noch einmal, Walter!“, schrie er. „Was heißt hier, er ist weg? Wo ist er?“
„Das weiß ich eben nicht, Herr Schubert, deshalb rufe ich an“, erwiderte Kriminalhauptmeister Walter Schmid bedrückt.
Er leitete
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