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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
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für die anderen längst überfällig war?
    Wieder einmal wäre es beinahe dazu gekommen, dass sie,die Unschuldige, leiden musste, während die Schuldigen ungestraft blieben. Sie war heftig erschrocken, als sie vom Eintreffen
     eines Detektivs gehört hatte, war einen Augenblick lang beinahe in Panik geraten. Die Polizei im Haus! Wenn Abbé Maxiant den
     Beamten nun etwas verraten hatte? Oder war eine Meldung von der Straßburger Behörde an die Hamburger Polizei ergangen? Frankreich
     war nicht gar so weit weg, und die Affäre Corbinière war noch nicht völlig vergessen, obwohl die breite Öffentlichkeit längst
     zu anderen Themen übergegangen war. Wenn sie jetzt ihre Nase allzu weit vorstreckte, würde man sich an diese Familie erinnern,
     die durch eine Pfanne Pilzpastete zur Gänze ausgelöscht worden war, und an die Köchin, die als Einzige überlebt hatte. Solche
     Geschichten liefen einem ein Leben lang nach   …
    Sie blickte in den Spiegel, aus dem ihr im Kerzenlicht eine geisterhafte Fratze der Wut entgegenstarrte. Warum? Warum? Auf
     sie, die Gerechte, häufte Gott alles nur erdenkliche Unglück, während das gottlose Pack über ihr sündigte und sündigte   …
    Sie atmete tief durch. Mit Gewalt zwang sie sich, mit ruhigen Händen ihr Haar zu einem Zopf zu flechten, damit es sich über
     Nacht nicht verwirrte, kleidete sich aus und schlüpfte in das bodenlange Barchentnachthemd. Nur keine Eile. Nur keine Ungeduld.
     Gottes Mühlen mahlten langsam, aber fein. Am Ende bekamen alle ihren gebührenden Lohn, die Gerechten wie die Ungerechten.
    Während Jakobine ihre Kleider sorgfältig glättete und über eine Stuhllehne hängte, sang sie bereits wieder leise vor sich
     hin.

F reunde und F einde
    1
    Im Polizeihauptquartier auf dem Neuen Wall waren bereits die meisten Lichter erloschen, nur in der Kanzlei des Journaldienstes
     brannten noch die Lampen und in einigen wenigen Büros, darunter auch dem Arbeitszimmer von Kriminalpolizeiinspektor Ludwig
     Gützlow. Er vermied es ganz allgemein, früher als unbedingt nötig in sein Untermietzimmer im Haus einer Kapitänswitwe zurückzukehren,
     und arbeitete deshalb gern bis spät in die Nacht. Aber der Fall Raoul Paquin interessierte ihn ganz besonders, und das aus
     einem sehr persönlichen Grund.
    Die meisten seiner Kollegen betrachteten Ludwig Gützlow als einen vertrockneten Junggesellen, und auch er selbst sah sich
     so, aber das bedeutete nicht, dass er kein Herz hatte – und dieses Herz schlug im Augenblick für die Witwe des Apothekers.
     Er, der sonst für Poesie nichts übrig hatte, dachte: Wie eine Päonienblüte in einem Übermaß an jadegrünem Seidenpapier hatte
     sie ausgesehen in ihrem bodenlangen, reichlich gerafften und gebauschten Kleid – eine Blüte, die im Schmutz des Gefängnisses
     nur dahinwelken konnte.
    Als erfahrener Kriminalist wusste Gützlow natürlich, dass blumengleiche Frauen nicht immer auch unschuldige Frauen waren,
     und durch das unbestechliche Auge der Indizien betrachtetwar Frau Paquin tatsächlich verdächtig. Aber Indizien und starke Motive waren keine Beweise.
    Erinnerungsfetzen an die Ereignisse des siebten und achten Februar zogen an seinem geistigen Auge vorbei, während er in seinem
     Journal Notizen machte.
    Man hatte ihn vom Polizeihauptquartier auf dem Neuen Wall losgeschickt, als die Nachricht vom Tod des Apothekers sich verbreitete.
     Schließlich war dieser nicht nur mit Senatoren, Schiffseignern und Großkaufleuten befreundet gewesen, sondern auch mit dem
     Polizeipräsidenten. Und diesem hohen Herrn gefiel es überhaupt nicht, dass sich da etwas Übles zusammenbraute. Selbstmord!
     Was für ein Skandal im wilhelminischen Deutschland, wo Selbstmord als Verbrechen galt, das von Staat und Kirche hart bestraft
     wurde.
    »Als ich den Ort des Geschehens betrat«, schrieb er, »er warteten mich dort der Polizeiarzt, Dr.   Kasimir Brett, und der Hausarzt, Dr.   Emmanuel Thurner.«
    Gützlow musterte den Mann. Vertrauen erweckend wirkte er nicht. Mit seinem Buckel und der lauernd gekrümmten Haltung hatte
     er etwas von einem grotesken, aber gefährlichen Raubtier an sich. Der Gedanke ging ihm durch den Kopf: Wenn ein reicher Mann
     starb, war die erste Wahl an Verdächtigen die Gattin, die zweite der Hausarzt. Vor allem, wenn der Polizeiarzt erklärte, der
     Tote sei tatsächlich das Opfer einer Vergiftung geworden, während der Hausarzt auf der Diagnose »Gehirnschrumpfung« beharrte.
    Gemeinsam betraten der

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