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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
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am Hafen zu verbringen, wo sie sich gewissermaßen
     volllaufen ließ. Raoul hatte immer so getan, als wüsste er von nichts, und es sprach auch niemand anderer davon, am allerwenigsten
     Paula selbst. Es war beinahe, als seien diese wüsten Tage und Nächte bei ihrer Rückkehr ihrem Gedächtnis entglitten.
    Louise wünschte, ihre Kusine hätte es dabei belassen, statt ihre Liebesabenteuer ins Haus zu holen. Ob ihre Verliebtheit in
     Emil sie schon so weit hingerissen hatte, dass sie ihm nächtliche Besuche gestattete? Denn dass sie verliebt war, konnte man
     nicht übersehen, sie wurde ja jedes Mal rot wie ein Truthahn, wenn er sie nur anblickte.
    Die junge Frau seufzte. Welches Recht hatte sie denn, sich über Paula zu entrüsten? Vielleicht war sie selbst noch unkeuscher,
     denn Paula empfing immerhin einen Mann, in den sie wie närrisch verliebt war, während Louise einen nur deshalb in ihr Bett
     gelassen hatte, weil sie nicht allein, nicht einsam sein wollte, weil sie jemanden brauchte, der ihre Furcht vertrieb und
     ihr Halt gab. Immer wieder ging es ihr durch den Kopf, dass Frederick sie liebte – schon von ihrer ersten Begegnung an geliebt
     hatte. Und dass damit zu all den Problemen noch ein neues hinzugekommen war, denn sie empfand keine Liebe für ihn.
    Endlich gestattete ihr Körper ihr gnädig, den eisigen Ort zu verlassen. Das Nachthemd eng um sich gewickelt, lief sie den
     Flur entlang zurück in ihr Zimmer, kroch ins Bett und kuschelte sich eng an den tief schlafenden Mann.
    Wie froh war sie, jetzt in Fredericks Armen zu liegen, in dem warmen Bett, in dem ihr nichts passieren konnte. Er seufzte
     wohlig, als er ihren Körper spürte, und sie schmiegte sich noch enger an ihn. Seine Nähe machte ihr Mut. Es gab keine Gespenster
     und auch keinen toten Raoul, der ihr übel mitspielte. Sie würde es allen zeigen! Sie war kein kleines Mädchen mehr. Die Tür
     des Hauses, in dem sie mit Raoul gelebt hatte, fiel hinter ihr ins Schloss. Sie musste neue Türen öffnen und würde in neuen
     Häusern leben. Frederick war der erste Bote des jungen, pulsierenden Lebens, das inmitten der absterbenden Blätter ihres Daseins
     als Frau Paquin sprosste.

4
    Im Souterrain des Hauses räumte die Köchin Jakobine Stokhamer die letzten blank gescheuerten Töpfe in die Regale. Dabei sang
     sie heiser murmelnd vor sich hin, was eine für sie ganz ungewohnte poetische Beschäftigung war. Aber irgendwie musste sie
     ihrer Freude ja Ausdruck geben. Der gnädige Herr war tot, die Strafe des zürnenden Himmels vollzogen an dem Wüstling, der
     eine junge Frau, fast noch ein Kind, in sein Bett geholt hatte und sich schamlos mit ihr vergnügte. Ja, Gott ließ seiner nicht
     spotten, das sah man hier wieder einmal. Jeder bekam, was er verdiente.
    Herr Paquin hatte seinen Sündenlohn schon schlucken müssen, die anderen standen noch aus – die liederliche Witwe und der schmierige
     Bursche, der nicht einmal das Begräbnis des Ehemanns abgewartet hatte, um sich in ihr Bett zu legen. Die beiden sollten nur
     ja nicht glauben, dass niemand etwas von ihrem Treiben ahnte! Das ganze Haus wusste Bescheid. Gott würde auch sie strafen,
     zur rechten Zeit und mit den rechten Mitteln. Den nichtswürdigen Magister Schlesinger natürlich auch, an dessen Füßen leckten
     ja ohnehin schon die Flammen der Hölle.
    Jakobine schloss die Küchentür ab und begab sich über den Flur in ihre Souterrainwohnung. In diesem Haus der Sünde würde sie
     vorerst keinen Finger mehr krumm machen! Im Licht einer brennenden Kerze trat sie vor den Spiegel und begann ihr hochgestecktes,
     schwarzgraues Haar aufzulösen, bis es ihr weich und üppig über die Ellbogen fiel. In ihrer Jugend war sie eine schöne Frau
     gewesen, aber seither war sie einen langen und steinigen Weg gegangen durch die Wüsten harter Arbeit und zunehmender Verbitterung,
     und auf diesem Weg war ihr Herz verdorrt und ihr Blut zu Galle geworden. Tag für Tag peinigte das Schicksal sie damit, dass
     sie mitansehen musste, wie die Gottlosen grünten wie die Lorbeerbäume, während ihr, der Gerechten, das Glück versagt blieb.
     Zwar gestand sie sich widerwillig ein, dass sie im Hause Paquin gut bezahlt wurde, eine eigene hübsche, kleine Wohnung hatte
     und für ihre Kochkunst aufs Höchste gelobt wurde, glücklich und zufrieden war sie jedoch nicht.
    »Aber achtet auf ihr Ende!«, murmelte sie vor sich hin. Wie lange wollte Gott denn noch säumen? Sah er nicht, dass seine Strafe
     auch

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