Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
Vom Netzwerk:
bist du eigentlich,
     dass du mich hier anpöbelst und   …«
    »Wer ich bin?«, kreischte diese. »Eine Verwandte des Verstorbenen! Ein Familienmitglied! Und du? Ein billiges Flittchen, das
     er aus dem Armenhaus geholt hat! Du warst doch immer nur auf sein Geld aus!«
    »Ach ja? Und was machst du?« Jetzt brauchte sie nicht mehr zu Amy hinüberzublicken. Der Zorn wallte ganz von selbst in ihr
     auf, und es tat gut, ihn herauszulassen. Wenigstens konnte sie Paula einmal gründlich die Meinung sagen. »Seit Jahren sitzt
     du hier im warmen Nest und hast dich von Raoul durchfüttern lassen – und ihn zum Dank dafür bei jeder Gelegenheit hinter seinem
     Rücken schlechtgemacht! Und mir scheint, du hättest zum Thema ›nächtliche Treffen mit dem Geliebten‹ auch einiges beizutragen!«
    Paula stierte sie mit vorquellenden Augen an. »Verleum dung ! Das brauche ich mir nicht bieten zu lassen! Du hast mich hier zum letzten Mal gesehen! Ich ziehe aus!«
    »Ach ja?«, konterte Louise mit spitzer Zunge. »Und wohin ziehst du? Ins Armenhaus? Du hast doch keinen Pfennig eigenes Geld!
     Und von Emil wirst du nichts bekommen.«
    Paula war einem Schlaganfall nahe. An ihrer Stirn war eine dicke pulsierende Ader zu sehen, und ihr Mund schnappte auf und
     zu. Sprachlos vor Wut rang sie nach Atem, bis es ihr endlich gelang, die Worte hervorzustoßen: »Lüge! Infame Lüge! Alles erfunden   …« Sie raffte ihre Röcke zusammen und rannte mit klappernden Absätzen hinaus.
    Amy schlug ihre manikürten Hände, die aussahen, als wären sie aus Porzellan, applaudierend zusammen. Auf ihrem Gesicht breitete
     sich ein strahlendes Lächeln aus. Wie eine entzückte Zuschauerin nach einer gelungenen Theatervorstellung, dachte Louise bitter.
     Jetzt erhob sich Amy und klatschte weiter – Standing Ovations nannte man das doch in England, nicht?
    »Well done, my dear, very well done! Ich sehe, Sie können sich durchaus behaupten, wenn Sie nur wütend genug sind.«
    Sie kam aber von Neuem nicht dazu, weiterzureden, denn die Tür wurde einen Spalt weit geöffnet, und Frederick spähte herein.
    »Ich hörte, du hast alle Dienstboten entlassen, Louise, und   … Oh! Was machen Sie denn hier?«
    Louise fiel auf, dass sein Ton, sein Auftreten an diesem Morgen anders waren als am Vortag, als er noch in Herrn Paquins Diensten
     gestanden hatte. Wie ein Sklave, dem man die Ketten abnahm, hatte er den Rücken gestrafft und den Kopf erhoben. Sein ganzes
     Wesen hatte etwas Kühnes, ja Herausforderndes angenommen. Nun, dachte sie bitter, er hatte ja auch einen großen Sprung vorwärts
     gemacht, vom Angestellten zum Geliebten der Hausherrin.
    Amy beachtete ihn gar nicht. »Louise!«, wandte sie sich streng an die junge Frau. »Sie werden doch nicht zulassen, dass dieser
     Mensch Sie duzt?«
    Louise errötete, dann lachte sie. »Wir haben uns die ganze Nacht geduzt, Amy, da kann ich es ihm jetzt nicht verbieten.«
    Die Engländerin musterte den ehemaligen Privatsekretär mit verächtlichem Blick.
    »Das ist also der Liebhaber, auf den Ihre komische Kusine anspielte. Ja, wie heißt es schon in der Bibel: ›Wenn man einen
     Knecht verwöhnt, will er ein Junker sein.‹«
    Frederick Hansen biss die Zähne zusammen, dass die Muskeln am Unterkiefer hervortraten. Wütend stieß er hervor: »Ein verwöhnter
     Knecht, ja? Herr Paquin sah mich wie einen Sohn, und für mich war er der Vater, den ich nie hatte.«
    Louise wandte sich erstaunt zu ihm um. »Aber du hattest doch einen Vater, den Kapitän Hansen.«
    Einen Augenblick lang geriet der junge Mann ersichtlich aus dem Gleichgewicht, dann holte er tief Luft und sprach mit gefasster
     Stimme. »Ich hätte das nicht sagen dürfen. Ein Sohn soll seinen Eltern keine Bitterkeit entgegenbringen. Aber der Kapitän
     war nur insofern mein Vater, als er mich gezeugt hat. Ich sah ihn so selten, dass er für mich ein lästiger Fremder war. Eine
     Fahrt nach der anderen, Weltreisen, die Monate lang dauerten, dann ein, zwei Wochen zu Hause, gerade so lange, bis sein nächstes
     Schiff die Anker löste   …«
    Amy korrigierte mit kühler, hochmütiger Stimme: »Die Anker lichtete, heißt es. Sollten Sie das als Sohn eines Kapitäns nicht
     wissen?«
    »Natürlich weiß ich das, aber ich kann mich ja einmal versprechen, oder? Vor allem, wenn ich so angepöbelt werde!«
    Amy zuckte die Achseln und wandte sich an Louise, alssei Frederick aus dem Raum verschwunden. Aus ihrer Tasche förderte sie ein zusammengerolltes

Weitere Kostenlose Bücher