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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
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lassen.
    Kaum war sie draußen, erklärte Frederick in einem Ton, den er für väterliche Strenge hielt: »Louise, bitte hör mir jetzt aufmerksam
     zu. Ich muss über diese Person mit dir reden.«
    »Sie ist keine Person. Sie ist die Tochter Lord Harringtons, des britischen Gesandten.«
    »Meinetwegen. Aber sie ist eine von diesen verrückten Weibern, die überall nur Zwietracht säen und Unruhe stiften. Du hast
     doch gesehen, wie sehr sie Männer hasst. Allein der Tonfall, in dem sie mit mir geredet hat!«
    Louise lächelte nachsichtig. »Sie hat nur zurückgebissen, nachdem du zuerst gebissen hast.«
    »Louise, ich bin besorgt.« Es klang ernst und feierlich, und plötzlich erschien ihr seine Würde lächerlich angesichts der
     Tatsache, dass er gerade einmal vier Jahre älter war als sie.
    »Lass uns nicht mehr darüber reden. Ich bin überzeugt, sie meint es gut, und du meinst es auch gut, du bist nur eifersüchtig.«
     Sie stand auf. »Würdest du bitte dafür sorgen, dass die Pferde in einem Mietstall untergebracht werden, da wir ja jetzt keine
     Stallburschen mehr haben? Ich habe jetzt keine Zeit dafür. Ich gehe aus.« Sie machte eine Bewegung, bei der alle die steifen
     Rüschen und Volants um sie herum raschelten. »Ich gehe und kaufe mir neue Kleider.«

5
    Louise schauderte, als sie auf den Jungfernstieg hinaustrat. Die Luft, die von der Binnenalster herüberwehte, war feuchtkalt
     und klamm. Ein feiner Nebel hing über der Stadt und verschleierte die Umrisse der Gebäude ebenso wie die der Droschken und
     Fußgänger. Mit einer Hand hielt sie ihre knöchellangen, faltenreichen Röcke zusammen, mit der anderen das pelzgesäumte Cape,
     das ihre Schultern wärmte, während sie nach einer Droschke Ausschau hielt. Es war ein merkwürdiges Gefühl, so allein auszugehen,
     ohne eine Zofe, die sie begleitete, und ein Dienstmädchen, das hinterherlief, um die Einkäufe nach Hause zu tragen. In den
     letzten zwei Jahren hatte sie keinen Fuß auf die Straße gesetzt, ohne dass dienstbare Geister um sie herumhuschten.
    Nach den aufwühlenden Stunden mit Amy und Frederickwar Louise schwindlig wie nach einer Fahrt auf dem Kettenkarussell, und sie meinte in dem gepolsterten Kostüm zu ersticken.
     Welch eine Erleichterung würde es sein, sich wenigstens ein Kleid kaufen zu dürfen, in dem man atmen und sich bewegen konnte!
     Ein Reformkleid bedeutete einen Schritt in ein neues, freieres Dasein, in eine Zukunft jenseits des Lebens, das sie im Hause
     Paquin geführt hatte und das mehr der Alltag eines Kindes als einer erwachsenen Frau gewesen war.
    Ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Streit zwischen Amy und Frederick, und plötzlich fühlte sie sich ängstlich und verwirrt.
     Fredericks heftige Feindseligkeit gegen die junge Frau hatte sie verunsichert. Konnte sie Amy wirklich vertrauen? Die Engländerin
     schien aufrichtig um ihr Wohlergehen bemüht, aber sie hatte etwas Seltsames, Beunruhigendes an sich. Louise war sich nicht
     mehr sicher, ob Amy nicht in einer ganz anderen Welt lebte als sie, einer Welt, in die sie ihr nicht folgen wollte. Dass Frederick
     sie liebte, wusste sie hingegen. Er würde für sie kämpfen wie ein Löwe. Doch wollte sie das? Und wollte sie sich wieder bevormunden
     lassen? Noch dazu von einem Mann, der nicht einmal ihr rechtmäßig angetrauter Gatte war?
    Sie nahm eine Mietdroschke, der sie als Erstes die Adresse einer Pfandleihe angab. Dort angekommen, legte sie ein paar persönliche
     Accessoires, die ihr in ihrer momentanen Lebenslage als entbehrlich erschienen, auf den Ladentisch. Der Händler brummte und
     summte vor sich hin, während er die Gegenstände in den Fingern drehte und wendete, sie mit dem Vergrößerungsglas betrachtete
     und gegen das Licht hielt. Schließlich erklärte er sich zufrieden, und ein Häufchen goldener Zehnmarkstücke wechselte den
     Besitzer, genug, um zehn Kleider zu kaufen.
    Für gewöhnlich nutzte sie zum Einkaufen die zahlreichenmondänen Läden, die sich in der Umgebung der Binnenalster, am alten und neuen Jungfernstieg und am Alsterdamm aneinanderreihten
     – eine Reihe von Konsumpalästen, wie man sie in keiner anderen deutschen, ja kaum einer europäischen Stadt fand. Am alten
     Jungfernstieg erhob sich großartig der »Bazar«, eine mit verschnörkeltem Eisengestänge und einer durchgehenden Glaskuppel
     überwölbte Passage von zwei Reihen Kaufläden, mit Gemälden und Statuen reich verziert, von einer Weite und Höhe, mit der sich
     selbst

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