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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
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der Wandtäfelung. Es klickte leise. Eine der Holztafeln glitt beiseite und gab denZugang zu einem schmalen Wandschränkchen frei. Paula griff hinein. Herumtastend berührten ihre Finger eine Schachtel, nicht
     größer als ein Zigarettenetui. Sie zog sie heraus und öffnete sie. Das Innere der Schachtel war mit rotem Samt ausgeschlagen.
     In Lederschlaufen steckten zwölf in rotes Wachspapier gewickelte Zäpfchen.
    Sie nahm eines davon heraus, legte die anderen wieder zurück, verschloss das Geheimfach und machte sich, das Zäpfchen ängstlich
     in der Tasche ihrer Nachtjacke bergend, auf den Weg zum Abort. Dort wiederholte sich das furchtsame Spiel. Die Tür wurde sorgsam
     verschlossen, das Schlüsselloch mit einem Handtuch verhängt, eine Kerze angezündet. Vorsichtig und mit klammen Fingern zog
     sie eines der Zäpfchen heraus und begann es aus seiner Hülle zu wickeln. Es wäre ihr lieber gewesen, sie hätte es einfach
     in ihrem Zimmer anwenden können, aber es war ihr zwei Mal widerfahren, dass das Mittel eine heftige innere Blutung hervorgerufen
     hatte, und es wäre ihr sehr unangenehm gewesen, wenn die Dienstboten eine solche Beschmutzung in ihrem Zimmer entdeckt hätten.
    Wie schon öfter, durchfuhr sie ein sengender Schmerz, als sie das Zäpfchen endlich an seinen Platz gedrückt hatte. Irgendetwas
     in ihrem Inneren schien nicht in Ordnung zu sein. Aber was sollte sie tun? Auf keinen Fall durfte sie schwanger werden. Einen
     Skandal würde Emil ihr niemals verzeihen.
    Ich hasse dich, flüsterte sie vor sich hin, während ihr ganzer Körper vor Sehnsucht bebte, dass er zu ihr kommen möge.

5
    Am vierzehnten Februar schmolz der letzte Schnee, und über Hamburg breitete sich ein feuchter und von kalten Stürmen gezeichneter
     Vorfrühling. In der Wohnung über der Apotheke saßen Amy und Louise beim Essen, zusammen mit dem mürrischen Frederick, der
     nur daran teilnahm, um seine Erzfeindin unter Beobachtung zu halten.
    Als es an der Tür läutete, stand Frederick auf und schlenderte betont langsam hinaus, um Amy zu demonstrieren, dass er kein
     Türen öffnender Lakai war. Er kehrte mit einer hübschen, jungen und etwas rundlichen Frau in den Salon zurück. Ihr Gesicht
     war freundlich und rosig wie ein Wachsapfel. Zu ihrem schlichten schwarz-braun gemusterten Kleid trug sie eine mit Glasperlen
     bestickte Haube von altmodischem Zuschnitt, wie konservative Jüdinnen sie zu tragen pflegten. Sie sah bekümmert aus, und unter
     ihren Augen lagen breite Schatten.
    Louise stand auf. »Frau Schlesinger. Du liebe Güte! Haben Sie schon Nachricht von Ihrem Mann? Was ist mit ihm? Wir machen
     uns alle große Sorgen.«
    »Aber setzen Sie sich erst einmal, Ihnen zittern ja die Knie. Ich bringe Ihnen eine Tasse Kaffee«, fiel Amy ein.
    Unter diesem fürsorglichen Zuspruch beruhigte sich die Frau ein wenig. »Ach«, stieß sie hervor, »Sie können sich nicht vorstellen,
     was ich durchgemacht habe in den vergangenen Tagen, und jetzt weiß ich überhaupt nicht mehr, was ich glauben soll. Ich bin
     zu Ihnen gekommen – zur Polizei traue ich mich nicht. Wenn Sigmund nun etwas auf dem Gewissen hat? Und selbst wenn nicht,
     so werden sie ihm doch die Schuld geben. Die Juden sind doch immer an allem schuld.Und jetzt auch noch   … Ach, ich kann es nicht verschweigen, aber wenn ich es sage, bringe ich vielleicht Unglück über Sigmund, und er ist doch
     mein Ein und Alles!«
    Beide Damen bemühten sich, die aufgeregte Frau zu beschwichtigen. »Nun erzählen Sie einmal von Anfang an, damit wir uns ein
     Bild machen können. Wir haben jede Menge Zeit.«
    Sarah Schlesinger ließ sich händeringend in einen Polstersessel nieder. »Ich verstehe die ganze Geschichte überhaupt nicht.
     Am ersten und zweiten Tag, nachdem er verschwunden war, habe ich gedacht, er hätte einen Unfall gehabt, und sein und mein
     Vater haben alle Krankenhäuser angerufen, und auf der Polizei, und sogar im   … im Leichenschauhaus   … Aber nirgends war etwas zu erfahren. Und jetzt   … Liebe Frau Paquin, können Sie sich vorstellen, dass Sigmund mich wegen einer anderen Frau verlässt?«
    Drei Augenpaare musterten sie in fassungslosem Erstaunen. Die Antwort kam beinahe im Chor. »Schlesinger? Im Leben nicht! Wie
     kommen Sie denn auf eine so verrückte Idee?«
    »Weil eine Frau bei mir war. Das heißt, nicht bei mir, sondern bei meinen Eltern. Wir haben ja eine Wohnung in deren Haus.
     Ich war gerade bei den Nachbarn und habe sie selbst

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