Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers
dass Sie bedroht und eingeschüchtert
wurden.«
7
Louise war überglücklich, als der Magister zurückkehrte. Als er ihr gestand, warum er sich versteckt hatte, flammte eine heiße
Wut in ihr auf. Sie stürzte zum Telefon, ließ sich mit Polizeirat Heidegast verbinden und machte ihm Vorhaltungen, wie es
geschehen könne, dass sie selbst und ihre Angestellten auf diese Weise terrorisiert würden. Er musste zweimal ansetzen, bis
es ihm gelang, sie halbwegs zu beruhigen. Man habe alles zu Protokoll genommen, was dem Magister widerfahren sei, und auch
ihre eigene Aussage sei aktenkundig, man werde auf jeden Fall ein Disziplinarverfahren gegen Trattenbach initiieren.
Louise bebte immer noch vor Zorn. Ob der Polizeirat sein Versprechen ernst meinte? Oder würde er den Übeltäter stillschweigend
davonkommen lassen?
Die nächste Stunde war sie damit beschäftigt, den völlig aus dem Gleichgewicht geratenen Magister wieder in sein altes Selbst
zu verwandeln, und sie hatte ein Heilmittel für ihn, das besser wirkte als alle Tränke aus der Apotheke. Sie bat ihn zu einem
Gespräch ins Kontor, das Allerheiligste, von dem aus ihr Gatte in gesunden Tagen die Apotheke regiert hatte. Es war eingerichtet
mit Möbeln aus Ebenholz und Zeder, deren Goldbeschläge im Lampenlicht schimmerten.Die hohen Wandschränke und die übrigen Möbel waren in jenem pseudo-orientalischen Stil gehalten, der nach dem Ägypten-Feldzug
Napoleons Mode geworden war. Den verschnörkelten eisernen Tresor im Winkel zierte eine Statue des Anubis; schlank und elegant
ruhte der Totengott in Gestalt eines Schakals auf einem Sockel aus Obsidian.
Sie wies den Magister an, sich zu setzen. Dann holte sie aus einem der hohen Walnussschränke das Service aus böhmischem Glas
mit der Karaffe und den zierlichen geschliffenen Gläschen, das Raoul immer verwendet hatte, wenn ein besonders gutes Geschäft
zu begießen war.
»Ich weiß, Sie trinken nur Wein«, sagte sie, »aber heute müssen Sie einen Schluck von unserem Cognac nehmen.« Dabei legte
sie feierlich einen steifen, rot gesiegelten Briefumschlag auf das Tablett.
Er griff verunsichert nach dem Glas mit der goldenen Flüssigkeit. Louise hob ihr Glas und sagte: »Trinken wir auf Ihre Konzession,
Sigmund. Sie sind ab sofort berechtigt, die Apotheke in eigener Verantwortung zu führen.«
Schlesinger, der von den Strapazen der letzten vierundzwanzig Stunden noch ganz durcheinander war, schien jetzt vollends die
Fassung zu verlieren. Die Hand, die das Glas hielt, fing an zu zittern, und bald wurde aus dem Zittern ein richtiges Beben.
Louise wollte sich nicht vorstellen, was geschehen wäre, wenn sie den Magister nicht auf der Stelle zum Trinken des Cognacs
veranlasst hätte. Er leerte, wie Louise auch, das Glas in einem Zug. Sofort schenkte sie ein zweites Glas ein. Der Magister
trank auch dieses auf der Stelle aus und wurde endlich ruhiger.
»Wie haben Sie dieses Wunder zustande gebracht?«, fragte er.
»Der britische Botschafter hat es durchgesetzt – Lady Harringtons Vater. Aber das bleibt unter uns.« Louises eben noch so
freudiges Gesicht verdunkelte sich. »Das Problem ist nur, dass Sie zwar eine Konzession, aber keine Apotheke haben. Die Löwenapotheke
gehört laut Testament dem Baron von Pritz-Toggenau.«
Der Magister fuhr auf. »Wie bitte? Habe ich richtig gehört? Aber das kann doch nicht … Der arme Herr … Er wusste einfach nicht mehr, was er tat … Wir können die Apotheke auf keinen Fall dieser Person überlassen. Das hätte Herr Paquin nicht gewollt. Und ich will es erst
recht nicht.« Seine dunklen Augen hinter der goldgefassten Brille wurden hart, und einen Augenblick lang erschrak Louise vor
der Entschlossenheit, die darin aufblitzte. Sie würde aus diesem Mann niemals klug werden, dachte sie. Da war er einmal ängstlich
wie ein Karnickel, und dann hatte er etwas im Blick, das ihr sagte, dass er zu allem, aber auch wirklich zu allem fähig war,
um die Apotheke in seinen Besitz zu bringen.
Sie bemühte sich, ihn zu besänftigen. »Das werden wir auch nicht tun. Im Augenblick ist die rechtliche Lage noch völlig unklar,
das heißt, die Pritz-Toggenaus können darauf ebenso wenig zugreifen wie wir. Ich muss das noch mit meinem Anwalt besprechen.
Wir werden schon einen Weg finden. Bis dahin sperren Sie alles ab, nehmen die Schlüssel an sich und fahren nach Hause. Auf
keinen Fall geben Sie die Schlüssel heraus.«
»Ich habe
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