Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers
ein Leid geschah – obwohl er sich eingestehen musste, dass er das Geld gerne gehabt hätte.
Nun, der Militärjurist hatte ihm seine Hilfe zugesagt, als Kamerad: Er würde dafür sorgen, dass Louises Versuche, das Testament
anzufechten, abgeschmettert wurden – schließlich wusste Emil nicht, was Raoul in dem älteren Testament verfügt hatte – und
er, der Militärjurist, selbst zum Sachwalter des Vermögens ernannt wurde. Dann konnten sie endlich aus dem Vollen schöpfen
– alle drei.
Er gönnte sich einen Schluck aus der inzwischen nur noch halb vollen Flasche feinen Cognacs, die er sich aus Raouls Keller
geholt hatte, und seine Laune besserte sich wieder.
Er wusste, dass Paula Hahne auf ihn wartete, aber sie sollte sich ruhig noch ein wenig gedulden. Frauen musste man klarmachen,
dass es immer der Mann war, der Zeit und Ort bestimmte. Das war eine Sache des Prinzips, auch wenn er Paula recht gerne sah.
Sie war zwar nicht mehr ganz frisch, aber sie sah immer noch schön aus, und im Bett jedenfalls kam ihr so schnell keine andere
gleich. Seine Kameraden hatten Mund und Augen aufgesperrt, als er ihnen erzählt hatte, wassie so alles mit sich anstellen ließ. Und sie war auch gescheit genug, darauf zu achten, dass sie nicht schwanger wurde. Sie
wusste genau, dass er nicht der Mann war, den man mit einer Schwangerschaft an sich fesseln konnte. Eher schon mit Geld. Hätte
sie welches gehabt, hätte er sie auf der Stelle geheiratet. Aber sie hatte keines, und für sie galt dasselbe wie für ihn:
Sie war nicht willens, einen armen Schlucker zu heiraten.
4
Paula Hahne saß in Nachthemd und gehäkelter Nachtjacke im Bett und lauschte, ob sich irgendwo im Haus noch etwas regte. Von
den exotischen Vögeln, die sie in einer Voliere hielt, piepste hin und wieder einer im Halbschlaf, und zuweilen drang durch
das dreiteilige Erkerfenster ein Geräusch von der Esplanade herauf, aber ansonsten war alles still.
Sie lauschte so angespannt wie ein Dieb, der sich bereit macht, durch ein Kellerfenster zu kriechen. Herr Paquin war tot und
begraben, aber es waren immer noch genug neugierige Augen da, vor allem die des verflixten Privatsekretärs, der sich schon
immer in alles eingemischt hatte und überall seine lange Nase hineinsteckte. Und auch die Pritz-Toggenaus mochten den faulen
Fisch alsbald riechen. Verfluchte Leidenschaft! Warum nur ließ sie sich immer wieder darauf ein? Mit jedem Mal sank sie tiefer
in den Sumpf. Aber aufhören konnte und wollte sie nicht. Was hatte ein Dasein als arme Verwandte ihr sonst schon zu bieten?
Das Leben einer Frau – und ganz besonders jenes ältlicher Mädchen – war langweilig,es sei denn, man war eine Grande Dame der Gesellschaft. Ihre Schönheit, die Paula seinerzeit zur umschwärmten Belle gemacht
hatte, war nutzlos gewesen, da sie keine Aussteuer anbieten hatte können, und jetzt war ihr gutes Aussehen im Schwinden begriffen.
Da kann Eugenie mal sehen, wie es ihr in ein paar Jahren ergehen wird, sollte das Erbe nun doch noch an Louise gehen, ging
es Paula durch den Kopf, und sie konnte ein schadenfrohes Kichern nicht unterdrücken. Paulas sanftes ovales Gesicht, das man
in ihrer Jugend als »Milch und Rosen« bezeichnet hatte, war jetzt teigig blass, ihr lockiges hellblondes Haar wirkte staubig.
Eine Zeit lang hatte die Hoffnung, Herr Paquin würde sie heiraten, ihr den Rücken gestärkt, aber dann hatte er sich für dieses
rothaarige Flittchen entschieden, und obwohl er Paula auch danach immer als Mitglied des engeren Kreises behandelt hatte,
war seine Entscheidung für sie wie ein Todesurteil gewesen. Lebenslänglich eingemauert in Bedeutungslosigkeit, Ziellosigkeit
und Interesselosigkeit. So wäre es gewesen, hätte sie sich nicht gelegentlich bizarre sexuelle Ausbrüche geleistet, die ein
sorgfältig gehütetes Geheimnis der Familie waren.
Und jetzt … eine späte Liebe. Eine ganz einseitige Liebe. Sie war nicht dumm, und sie ahnte, dass Emil sie benutzte. Geld, Geld! Das
war alles, was Emil wirklich interessierte. Paula, die ihn leidenschaftlich liebte, war für ihn nur eine wertlose Mätresse,
immer willig, immer in Reichweite.
Lautlos stieg sie aus dem Bett, zündete die Gasflamme an und drehte sie gleich darauf so niedrig, dass sie beinahe wieder
erlosch. Sie vergewisserte sich, dass der Riegel an der Tür vorgeschoben war, hängte ein Handtuch über das Schlüsselloch und
tastete dann über die Schnörkel
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