Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers
sie war hübsch eingerichtet mit einem Dielenboden, zwei Porzellan-Kachelöfenund schlichten, aber eleganten Möbeln aus Kirschholz.
Amy schritt von einem Raum zum anderen und nickte beifällig. »Very pretty! Ganz anders als die Pharaonengruft nebenan. Wenn
du willst, schicke ich dir unser Dienstmädchen, das hier sauber machen kann, und morgen kannst du es dir schon gemütlich machen.«
Dann fragte sie argwöhnisch: »Und Herr Hansen? Wird er auch hier einziehen?«
»Ja. Ins Kabinett.«
Amy setzte sich und blickte Louise eindringlich an. »Wofür brauchst du ihn?«
»Ich brauche Freunde.«
»Du hast doch mich.«
Louise seufzte. Die Eifersucht ihrer Helfer untereinander begann sich zu einem Problem auszuwachsen. »Amy, Frederick war Raouls
engster Vertrauter.«
»Raoul ist tot und begraben. Du kannst ein neues Leben anfangen ohne irgendwelche Männer, die dich Tag und Nacht belästigen.«
Louise lächelte mit nassen Augen. »Bitte, Amy, lassen wir das für heute. Ich möchte mich jetzt um den Umzug kümmern. All meine
persönlichen Dinge und was ich an Bettzeug und dergleichen brauche, sind noch im Löwenhaus. Ich möchte sie holen, während
Hermine und ihr Anhang mit dem Leichenschmaus beschäftigt sind, das erspart mir weitere Auseinandersetzungen mit ihr. Willst
du mitkommen?« Sie lächelte die Engländerin an. »Eine doppelte Schnur reißt nicht so leicht entzwei, heißt es schon in der
Bibel.«
Die Auseinandersetzungen blieben Louise jedoch nicht erspart. Als die beiden Frauen das Löwenhaus betraten, stießen sie sogleich
auf Hermine und deren Kinder, die sich geradein einer heftigen Debatte mit einem silberbärtigen Herrn in schwarzem Anzug befanden. Dr. Taffert hatte sein Versprechen erfüllt und in aller Eile einen Assessor in Marsch gesetzt.
Hermine war außer sich vor Zorn, und sie war ungeduldig, denn sie hatte jetzt eigentlich andere Dinge zu tun: Im Hintergrund
liefen die letzten Vorbereitungen für einen prunkvollen Leichenschmaus, zu dem prominente Gäste geladen waren. »Wir sind die
Erben«, teilte sie dem Notar kurz angebunden mit. »Das Testament ist rechtsgültig, also was wollen Sie hier?«
Der Herr mit dem viereckig gestutzten Bart ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Herr Paquin war nicht mehr im Vollbesitz
seiner geistigen Kräfte und seines freien Willens, als er es abfasste. Es wurde von Rechtsanwalt Dr. Karl Taffert vor Gericht angefochten, das bedeutet, niemand, weder Sie noch Frau Paquin, darf auf das Erbe zugreifen, ehe
nicht eine gerichtliche Verhandlung stattgefunden hat und ein rechtsgültiges Urteil verhängt worden ist.«
Eugenie, die bisher stumm den Wortwechsel mitverfolgt hatte, fuhr auf Louise los wie eine Katze auf ihren Feind. »Das ist
dein Werk! Juristische Winkelzüge, um das Erbe in deine gierigen Finger zu kriegen. Du meinst wohl, weil du in Raouls Bett
gelegen hast, hättest du Anspruch auf seinen Besitz. Nichts da! Und glaub nicht, dein Winkeladvokat kann etwas an Raouls letztem
Willen ändern.«
Louise ignorierte sie, was nicht ganz einfach war, da Eugenie drauf und dran war, ihr mit den Fingernägeln ins Gesicht zu
fahren, und nur die Gegenwart des Notars hielt sie davon ab. Louise erklärte: »Ich bin gekommen, um meine persönlichen Dinge
sowie das Nötigste an Bett- und Tischwäsche zu holen.«
Der Assessor nickte. »Das ist Ihnen selbstverständlich gestattet.«Halblaut fügte er noch hinzu: »In vernünftigen Maßen, versteht sich.«
»Ich will einen Blick darauf werfen, was du da einpackst.« Hermines Gesicht war rotfleckig vor Zorn. »Hoffentlich nicht die
teure Damastbettwäsche und die gestickten Tischtücher. Emil, begleite die beiden Damen, und achte darauf, was sie aus dem
Haus schleppen.«
Die drei stiegen die Treppe hinauf, und der Notar schloss sich ihnen an. Er verzeichnete in seiner Aktenmappe genau, was Louise
mitnahm, dann wandte er sich an Emil. »Ich sehe, Ihre Mutter ist mit den Vorbereitungen zum Leichenschmaus beschäftigt, also
ersuche ich Sie, mich durch das Haus zu begleiten, während ich mir einen Überblick über die Wertgegenstände verschaffe.«
»Diese Wertgegenstände gehören uns! Sie haben kein Recht …«
»Herr von Pritz-Toggenau, ich muss Sie bitten, einen anderen Ton anzuschlagen. Wir haben diesen Punkt meines Erachtens zur
Genüge diskutiert.« Der Assessor war unerschütterlich. »Ich habe die Anweisung vom Gericht, festzustellen, um welche Güter
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