Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers
mitten unter Huren und Zuhältern. Sie
sind doch sonst kein Mensch, der sich so benimmt. Also? Was war der Grund für Ihr verrücktes Verhalten?«
Schlesinger starrte seine im Schoß ineinander verkrampften Hände an. »Er wollte es ihnen sagen.«
»Was wollte wer wem sagen? Jetzt reißen Sie sich zusammen! Es wird Sie schon nicht den Kopf kosten. Fangen wir einmal mit
der Frage an: Wieso haben Sie sich ausgerechnet in einem Hotel auf dem Spielbudenplatz versteckt? Das ist nicht gerade ein
Ort, an dem man einen ehrbaren Apotheker erwartet. Haben Sie Verbindungen zu dem Gesindel dort?«
Schlesinger errötete und seufzte tief. »Das ist es ja. Alle Welt würde davon erfahren, drohte er mir, und dann wäreich erledigt, nach der Schande könnte ich mich nirgends mehr blicken lassen. Die Sache ist mir sehr unangenehm. Ich … Ich fürchte mich davor, es zu sagen. Ich wäre ruiniert, wenn es jemand erfährt.« Da Heidegast ihn aber nur stumm und auffordernd
anblickte, sank er auf seinem Stuhl ein wenig tiefer und flüsterte: »Sehen Sie, Herr Polizeirat, eine meiner Schwestern … Sie ist nicht gut geraten. Die Familie will nichts mehr von ihr wissen, aber meine Mutter … Nun, ein Kind bleibt für seine Mutter immer ein Kind, auch wenn es seinen Weg verfehlt hat, und so hat sie mich gebeten,
immer wieder einmal nach Ruth zu sehen … ob sie gesund ist … ob sie etwas braucht … Niemand durfte davon wissen, mein Vater wäre außer sich, wenn er davon erfahren würde, und ich habe Angst um meinen guten
Ruf. So etwas fällt immer auf die ganze Familie zurück.«
»Ich verstehe.« Heidegast nickte. »Man hat Sie also mit der Drohung erpresst, Ihr familiäres Unglück publik zu machen. Und
wer hat Sie erpresst?«
Schlesinger sah beschämt zu Boden und grub die Zähne in die Unterlippe. Dann machte er eine jähe Bewegung, als hätte er den
Entschluss gefasst, sich von einer Felsenklippe zu stürzen, und stieß die Worte hervor: »Kriminalpolizei inspektor Trattenbach.«
Gützlow pfiff durch die Zähne. Nach einem Blick auf seinen Vorgesetzten befahl er: »So, Herr Magister, jetzt erzählen Sie
schön zusammenhängend und ohne irgendwelche Winkelzüge, was passiert ist.« Er versuchte, Vertrauen erweckend auszusehen, aber
sein Lächeln saß ein wenig schief.
Schlesinger gehorchte. Er sei gerade drauf und dran gewesen, zum Begräbnis aufzubrechen, als der Polizeiinspektor ihn aufgehalten
habe. Dem Beamten sei es mit Leichtigkeit gelungen,den ängstlichen und in Kriminalsachen völlig unerfahrenen Magister einzuschüchtern; er habe ihm sogar gedroht, ihn wegen Zuhälterei
vor Gericht zu bringen, da Schlesinger ständigen Kontakt zu einer Prostituierten hatte. »Der Polizeiinspektor will sich um
alles in der Welt an Louise Paquin rächen. Er wollte, dass ich die Dinge so arrangiere, dass es aussieht, als hätte Frau Paquin
ihren Gatten vergiftet. Als hätte sie heimlich einen Schlüssel zur Giftkammer machen lassen und in den Büchern nachgelesen,
wie Blei und Thallium wirken. Und dann hätte er ihr gesagt, dass er sie ins Gefängnis bringt, wenn sie nicht … wenn sie nicht …« Prüde, wie er war, brachte er die Worte nicht über die Lippen, aber die beiden Polizisten verstanden auch so, was gemeint
war. »Ich hätte das niemals zustande gebracht, Frau Paquin zu schaden. Aber mich ihm offen zu widersetzen, habe ich nicht
gewagt, also habe ich versprochen, ich würde sehen, was ich tun kann. Dann bin ich auf schnellstem Wege zu Ruth, um mich bei
ihr zu verstecken. Ruth wollte mit meiner Frau sprechen, aber Sarah war nicht zu Hause, und … Was hätte ich denn tun sollen? Zur Polizei wagte ich mich nicht.«
Heidegast streifte die Asche seiner Zigarre vorsichtig ab, dann richtete er den Blick direkt auf den verstörten Magister.
»Mein Herr, ich zweifle nicht daran, dass Sie ein exzellenter Pharmazeut sind, aber in allen anderen Belangen handeln Sie
wie ein Kind, das sich die Bettdecke über den Kopf zieht. Wären Sie auf der Stelle … Ach, was sage ich da bloß! Sie können ja doch nicht aus Ihrer Haut heraus.« Er schüttelte den Kopf und zog kräftig an seinem
würzigen Rauchwerk. »Hören Sie zu, Herr Schlesinger: Sie geben jetzt in allen Einzelheiten zu Protokoll, was geschehen ist.
Kriminalinspektor Trattenbach können Sie uns überlassen. Dann fahren Sie zuFrau Paquin. Von Ihrer Schwester brauchen Sie gar nichts zu sagen, erzählen Sie nur,
Weitere Kostenlose Bücher