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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
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nicht gesehen, aber meine Mutter sagte, es sei eine recht aufgeputzte
     Frau gewesen und sicher keine anständige Person. Sie sagte, sie wisse, wo Sigmund sei, und sie könne mich zu ihm bringen,
     und er habe mir einiges zu erklären, es dürfe aber niemand davon wissen, und schon gar nicht die Paquins. Nun, meine Mutter
     sagte, es komme gar nicht infrage, dass ich mit einer so dubiosen Person mitfahre. Daraufhin wurde die Frau schnippisch, sie
     sagte, es werde mir noch leidtun, und dann ging sie.«
    Sie drückte ein zusammengeknülltes Taschentuch an den Mund und brach in Tränen aus. »Vielleicht hätte ich doch mitgehen sollen?
     Ach, mein Sigmund!«
    »Auf keinen Fall, Frau Schlesinger! Sie und Ihre Mutter haben gut daran getan, die Fremde wieder wegzuschicken«, rief Frederick.
     »Wer weiß, wohin man Sie geschleppt hätte.«
    »Wir müssen die Polizei informieren«, beschloss Louise.

6
    Hinter Ludwig Gützlow bildete sich eine Wasserspur, als er in Heidegasts Büro trat. Er blieb vor dem Polizeirat stehen, und
     sogleich sammelte sich eine kleine Pfütze am wächsernen Dielenboden. Er war von oben bis unten durchnässt, gerade so, als
     hätte man ihn soeben aus der Elbe gezogen. »Es regnet«, sagte er entschuldigend und zuckte mit den Achseln. »Am Morgen war
     es noch so klar und sonnig, und jetzt schüttet es wie aus Eimern.«
    »Dann ziehen Sie Ihren nassen Mantel doch draußen im Vorzimmer aus und nicht hier! Verschwinden Sie – nein, jetzt bleiben
     Sie schon da. Hängen Sie das Ding neben dem Ofen auf.«
    Gützlow nahm seinen nassen steifen Hut ab, schälte sich bedächtig aus seinem mit Regenwasser vollgesogenen Havelock und hängte
     beides an die Garderobe. Der Mantel troff noch immer.
    »Was ist so wichtig, dass Sie mich bei meinem Studium des Rundschreibens stören?«, erkundigte sich der Polizeirat.
    »Unsere Leute haben den vermissten Pillendreher gefunden, Sigmund Schlesinger, und zwar unter recht merkwürdigen Umständen.
     Wenn Sie nicht zu beschäftigt sind, möchte ich Sie bitten, sich das anzuhören.«
    Der Polizeirat brummte gereizt. »Gützlow, bei aller Wertschätzung, die ich für Sie hege – Sie gehen mir auf die Nerven mit
     der Hartnäckigkeit, mit der Sie sich in den Fall Paquin verbeißen. Aber bitte.«
    Gützlow reichte ihm wortlos den Bericht des Polizisten, der den Magister aufgestöbert hatte.
    Den Unterlagen entnahm der Polizeirat, dass man Schlesinger in einem Hotel am übel beleumundeten Spielbudenplatz auf St. Pauli
     festgenommen hatte. Man kannte den Magister dort recht gut, und ein Hotelangestellter hatte der Polizei den Zund gegeben,
     wo er zu finden sei.
    »Sieh an! Ein Mann mit zwei Gesichtern. Wo ist er jetzt?«, fragte Heidegast.
    Gützlow zeigte mit einer Kopfbewegung Richtung Tür.
    »Na, dann bringen Sie ihn herein.«
    Schlesinger stolperte, von einem Wachebeamten gestützt, in einem solch zerrütteten Zustand ins Zimmer, als sollte er nicht
     verhört, sondern auf der Stelle hingerichtet werden. Der sonst so propere junge Mann war nicht wiederzuerkennen. Das Haar
     hing ihm schweißnass in die Stirn, seine kurzsichtigen Augen blinzelten verzweifelt hinter der Brille. Ein ums andere Mal
     leckte er mit seiner Zungenspitze über die Lippen. Als Heidegast ihn aufforderte, sich zu setzen, begriff Schlesinger erst
     überhaupt nicht, was von ihm verlangt wurde, und er starrte wie von Sinnen vor sich hin. Der Polizeirat schob den Stuhl zurecht
     und drückte ihn energisch darauf nieder. Dann klingelte er nach seinem Sekretär und schickte diesennach einem Glas Wasser. Der Sekretär brachte das Wasser. Der Magister nahm das Glas und trank es in einem Zug aus.
    »So!« Der Polizeirat lehnte sich in seinen breiten Armstuhl zurück. »Jetzt reißen Sie sich ein wenig zusammen, ja? Sie sind
     doch ein Mann!«
    Der Magister bestätigte es mit zitternden Lippen.
    »Na also. Wovor haben Sie solche Angst? Wir haben nur ein paar Fragen an Sie.«
    Der Mann fuhr sich mit den zuckenden Fingerspitzen über die Lippen. Kaum verständlich stammelte er: »Immer sind wir   … an allem schuld   … ohne Beweise, ohne Indizien   …«
    »Niemand beschuldigt Sie«, erwiderte Heidegast das Gestammel. »Wir wollen einfach nur wissen, warum Sie sich am Begräbnistag
     Ihres Dienstherrn in Luft auflösen und nicht mehr gesehen werden, obwohl sich Ihre Gattin die größten Sorgen macht und die
     Familie Paquin überall nach Ihnen sucht. Und dann tauchen Sie auf dem Kiez wieder auf,

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