Die Frau des Diplomaten (German Edition)
würde mit mir zu Abend essen. Doch jetzt bin ich so sehr mit meinen Gedanken beschäftigt, dass ich froh bin, ihn nicht um mich zu haben.
Aufs Neue muss ich an Paul denken. Wieder und wieder höre ich seine Worte in meinem Kopf. „Ich muss immerzu an uns denken“, hat er gesagt. Er rief an, weil er meine Stimme hören wollte. Plötzlich verspüre ich tiefes Bedauern. Warum habe ich ihn nur von mir gestoßen? Weil du verheiratet bist und ein Kind hast, meldet sich meine innere Stimme. Weil es die richtige Entscheidung war.
Ich gehe zurück in die Küche, nehme mir ein Glas aus dem Regal und fülle es mit Wasser. Dabei bemerke ich, dass Delias Brille auf dem Küchentisch liegt. Sie muss sie abgenommen haben, als sie das Abendessen zubereitete. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie hilflos man sich ohne Brille fühlt. Delia wird sie sicher schon suchen.
Ein Blick zur Uhr verrät mir, dass sie sich vor gut zwanzig Minuten auf den Weg gemacht hat und noch nicht zu Hause sein kann. Aber ich könnte Charles bitten, ihr auszurichten, dass ihre Brille hier ist. Ich gehe zum Telefon und nehme den Hörer ab, dabei denke ich unwillkürlich wieder an Paul. Ich halte den Hörer ans Ohr, doch anstelle eines Freizeichens höre ich jemanden reden. Simon muss vom Nebenapparat in seinem Arbeitszimmer telefonieren. Wie untypisch, denke ich. Ich warte darauf, dass er etwas zu mir sagt und mich zurechtweist, weil ich sein Gespräch gestört habe. Aber er hat wohl gar nicht bemerkt, dass ich den Hörer abgenommen habe. Mit wem redet er? Vermutlich mit jemandem aus dem Büro.
Ich zögere. Eigentlich sollte ich auflegen, stattdessen halte ich die Sprechmuschel zu und höre mit. „Ist alles geregelt?“, fragt Simon.
„Luton Airport …“, erwidert eine Stimme. Eine Frauenstimme. Meine Nackenhaare richten sich auf. „Morgen um sieben Uhr.“ Die Frau spricht mit einem ausländischen Akzent, der mir irgendwie bekannt vorkommt.
„Sieben Uhr“, wiederholt Simon. „Ich werde mit dem Päckchen dort sein.“ Dann ist ein Klicken zu hören, und die Leitung ist tot.
26. KAPITEL
Ich stehe reglos da, immer noch halte ich den Hörer in der Hand. Mit wem hat Simon gesprochen? Im Geiste gehe ich die Unterhaltung noch einmal durch, höre die Stimme der Frau am anderen Ende der Leitung. Das war ganz bestimmt nicht Biddie Newman, die Sekretärin, die während meiner Abwesenheit für Simon arbeitet. Vielleicht eine der anderen Assistentinnen aus der Abteilung. Ich gehe die Frauen durch, die infrage kommen, aber keine von ihnen hat einen Akzent. Wer ist diese Frau, und warum telefoniert sie mit meinem Mann?
Nachdem ich den Hörer aufgelegt habe, gehe ich zurück in die Küche. Ich könnte Simon fragen, überlege ich, während ich den Braten aus dem Ofen hole und zwei Teller mit Fleisch, Kartoffeln und Gemüse zusammenstelle. Einen stelle ich beiseite, den anderen nehme ich mit in den Salon. Wir haben bei der Arbeit keine Geheimnisse voreinander, jedenfalls weiß ich davon nichts, auch jetzt, da ich seit einer Weile zu Hause bin, hält er mich über alles auf dem Laufenden. Aber wenn ich ihn frage, muss ich auch zugeben, dass ich sein Gespräch belauscht habe.
Es muss jemand aus dem Büro gewesen sein, davon bin ich überzeugt. Simon hat keine Freunde oder Bekannte, die er anrufen könnte. Jedenfalls weiß ich von niemandem. Plötzlich halte ich inne, meine Hand hält die Gabel, Bratensoße tropft herab. Womöglich hat er eine Affäre?
Sei nicht albern, ermahne ich mich und lege die Gabel auf den Teller. Simon ist so kühl und distanziert, so sehr auf seine Arbeit fixiert, dass ich mir wirklich nicht vorstellen kann, wie er für irgendeine Frau leidenschaftliche Gefühle hegt.
Aber es wäre nicht völlig undenkbar, wie ich mir gegen meinen Willen eingestehen muss. Plötzlich ist mir der Appetit vergangen. Ich bringe den Teller zurück in die Küche. Vielleicht hat er an mir kein Interesse, weil seine Gefühle einer anderen Frau gelten. Seit meiner Rückkehr arbeitet er abends länger als üblich, oft kommt er erst nach Hause, wenn ich bereits schlafe. Und dann war da noch diese Dienstreise nach Brüssel vor ein paar Monaten … Der Verdacht beginnt sich zu verhärten.
Dann fällt mir Simons eigenartiges Erscheinungsbild ein, als er nach Hause kam, der ungewohnte Geruch, der von ihm ausging. Ich gehe in den Flur zur Garderobe und nehme seinen Mantel vom Haken. Als ich ihn an die Nase halte, stelle ich ihn wieder fest, diesen Kleegeruch. Das
Weitere Kostenlose Bücher