Die Frau des Diplomaten (German Edition)
Parfüm einer anderen Frau.
Vielleicht ist es auch gar nichts, überlege ich, während ich den Mantel wieder aufhänge. Eine Frau im Bus, die sich zu dicht an ihn gedrängt hat, mehr nicht. Aber das erklärt nicht diesen sonderbaren Anruf. Ich kehre in die Küche zurück. Eine Affäre. Noch vor einer Stunde wäre das völlig undenkbar gewesen. Und was, wenn es stimmt? Nach allem, was ich mit Paul erlebt habe, kann ich wohl kaum wütend sein. Es hätte sogar fast etwas Ironisches. Trotzdem regt sich Eifersucht in mir. Wer ist diese Frau, die Simon mehr bedeutet als ich?
Du hast ihn auch betrogen, ermahne ich mich. Aber bei Paul war es doch etwas anderes … Wir waren ein Liebespaar, das für einen winzigen Moment wieder zusammengefunden hatte. Was wir erlebt haben, war ungeplant und von Instinkten bestimmt. Simons Affäre stelle ich mir hingegen minutiös geplant vor. Heimliche Pläne für verstohlene Treffen. Lügen, mit denen er seine Spuren verwischt. Wut kocht in mir hoch. Hat Simon mich zum Narren gehalten? Vor einer Stunde habe ich Paul am Telefon noch gesagt, dass es für uns keine gemeinsame Zukunft gibt. Und wofür? Ist meine Ehe eine einzige Farce?
Ganz ruhig, ermahne ich mich. Du weißt nicht mit Sicherheit, ob Simon eine Affäre hat. Ein paar Sätze am Telefon, ein fremdes Parfüm – das beweist noch gar nichts. Doch die Zweifel nagen immer beharrlicher an mir. Ich muss der Sache auf den Grund gehen.
Ich lösche das Licht in der Küche und begebe mich ins obere Stockwerk. Auf Zehenspitzen schleiche ich in Rachels Zimmer, stelle mich an ihr Bettchen und lege eine Hand ganz sanft auf ihren Rücken, damit sie nicht aufwacht. Sie atmet ruhig und gleichmäßig. Ein Stück weiter den Flur entlang ist die Tür zu Simons Arbeitszimmer. Sie ist verschlossen, doch durch den schmalen Spalt zwischen Tür und Fußboden dringt Licht. Ich bleibe vor der Tür stehen und verspüre den Wunsch, in sein Zimmer zu platzen und ihn mit meinem Verdacht zu konfrontieren. Tatsächlich mache ich einen Schritt nach vorn und will nach der Klinke fassen, doch dann kann ich mich gerade noch rechtzeitig zurückhalten. Selbst wenn ich recht hätte, würde er eine Affäre nicht zugeben. Ich kann mir vorstellen, wie betont ruhig und gelassen er alles abstreiten würde, damit ich wie ein Dummkopf dastehe. Nein, wenn ich einen Beweis will, muss ich anders vorgehen.
Auf dem Weg ins Schlafzimmer drehen sich meine Gedanken im Kreis. Ich wasche mich und lege mich ins Bett, nehme das Buch vom Nachttisch, das ich momentan lese, und lege es bald wieder weg. Ich bin viel zu aufgewühlt, um mich auf die Sätze zu konzentrieren. Mein Blick wandert zu Simons Nachttisch, seinem Kleiderschrank. Falls es einen Beweis für seine Untreue gibt, wo würde er den verstecken? Natürlich kann ich mich jetzt nicht auf die Suche danach begeben, aber vielleicht morgen, wenn er zur Arbeit gegangen ist. Ich zwinge mich, doch noch ein wenig zu lesen, bis mir nach einer Weile die Augen zufallen.
Ich bekomme nicht mit, wie Simon sich ins Bett legt, und als ich am nächsten Morgen aufwache, ist seine Seite bereits gemacht, so als wäre er gar nicht schlafen gegangen. Mein Verdacht meldet sich sofort wieder, und mir gehen die Ereignisse des letzten Abends durch den Kopf. Vielleicht bilde ich mir das alles doch nur ein, überlege ich, als ich daliege und an die Decke starre. Und selbst wenn nicht, will ich es wirklich wissen? Meine Mutter würde jetzt sagen, dass ich mir nur das Leben schwer mache. Ich führe ein sicheres Leben in geordneten Verhältnissen. Ich könnte das Ganze auf sich beruhen lassen. Simon würde mich nie um die Scheidung bitten, um seiner Karriere nicht zu schaden. Eine kluge Frau würde nicht nach Antworten suchen. Und doch: Ich muss es wissen.
Ich gehe zu Rachel, die in ihrem Bettchen sitzt und munter drauflosplappert. Als ich mit ihr in die Küche komme, stelle ich fest, dass Simon sein benutztes Frühstücksgeschirr bereits abgespült und zum Trocknen hingestellt hat. Auf dem Tisch liegt ein Zettel mit einer hastig hingekritzelten Notiz: Frühe Besprechung. Ich blicke zur Wanduhr. Zehn vor sieben. Unbehagen erwacht in mir. Simon macht sich immer um genau zwanzig nach sieben auf den Weg. Ich frage mich, ob er ahnt, dass ich ihn belauscht habe, und ob er vermeiden will, mir in die Augen zu sehen.
Ich trage Rachel zu ihrem Stuhl, setze sie hinein und stelle ihr etwas zu essen hin. Um halb acht wird die Haustür aufgeschlossen, dann höre ich
Weitere Kostenlose Bücher