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Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Titel: Die Frau des Diplomaten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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Nachttisch Wasser ins Gesicht, setze meine Brille auf und sehe zu den anderen Frauen, die in ihren Betten liegen und vor sich hin dösen oder schlafen. Dava hat mir eine kleine Tasche auf den Nachttisch gestellt. Ich hole aus der Schublade eines meiner zwei Kleider, das blaue, außerdem Unterwäsche und Strümpfe. Mehr besitze ich nicht. Mit der Tasche in der Hand verlasse ich die Station und gehe hinaus ins Freie. Mein Blick fällt auf die Berge und den strahlend blauen Himmel. Eine halbe Stunde, hat Dava gesagt. Vor ein paar Stunden wusste ich nicht einmal, dass ich überhaupt von hier weggehen würde. Ich sehe Paul vor mir, wie er am Ufer steht, und ich sehe Rose, wie sie in ihrem Rollstuhl auf der Terrasse sitzt.
    Dava taucht hinter mir auf. „Bist du bereit?“
    Ich zögere und betrachte die Berge. „Ich glaube, ja.“
    „Gut. Hier.“ Sie dreht mich zu sich um und gibt mir verschiedene Papiere. „Das oberste Dokument ist deine vorläufige Reiseerlaubnis, die du anstelle deines Ausweises vorzeigst. Das zweite Blatt ist dein Visum. Denk immer daran: Du bist Rose Landyk. Nur für den Fall, dass dich jemand nach deinem Namen fragt, auch wenn das wohl nicht passieren wird. Und das ist die Fahrkarte. Du nimmst einen Zug bis nach Lille. Das ist in Frankreich, nicht weit von der Küste entfernt. Nach Calais musst du noch einmal umsteigen. Und das ist die Fahrkarte für die Fähre von Calais nach Dover, und schließlich eine weitere Fahrkarte für die Bahnstrecke nach London. Pass immer gut auf, dass du deinen Anschluss bekommst. Hast du verstanden?“ Ich nicke. „Gut.“
    Beim Blick auf die Fahrkarten überkommt mich wieder Angst. Ich schaffe das nicht allein. „Komm doch mit“, sage ich plötzlich, worauf Dava die Augen weit aufreißt. „Du kannst bestimmt eine Anstellung als Krankenschwester finden, und vielleicht lernst du jemanden kennen und gründest eine Familie …“
    „Das kann ich nicht!“, fährt Dava mich an. Überrascht schaue ich sie an, da ich sie noch nie so aufgebracht erlebt habe. Dann bekommt sie sich aber gleich wieder unter Kontrolle und beißt sich verlegen auf die Unterlippe. „Ich kann nicht einfach … ach, ist doch egal. Wir haben nur dieses eine Visum, und uns fehlt die Zeit für Diskussionen. Außerdem werde ich hier gebraucht, es liegt noch viel Arbeit vor uns.“ Sie drückt mir ein Päckchen in die Hand. „Das ist für dich.“
    „Was ist das?“
    „Roses Habseligkeiten. Gib sie ihrer Tante. Und etwas zu essen habe ich dir auch eingepackt.“ Dann greift sie in ihre Tasche und holt verschiedene Banknoten heraus. „Geld. Österreichisches, französisches, englisches, von allem ein bisschen. Falls du unterwegs etwas brauchst.“
    Ich zögere. Etwas sagt mir, dass Rose nicht die ganze Summe hinterlassen haben kann, sondern dass Dava von ihrem spärlichen Gehalt noch etwas draufgelegt hat. „Dava, ich kann doch nicht …“
    Sie hebt eine Hand, um mich zu unterbrechen. „Du nimmst das Geld, ich will jetzt nichts mehr hören.“ Dann lächelt sie mich an. „Eines Tages, wenn du eine wohlhabende Engländerin geworden bist, kannst du es mir zurückzahlen.“
    „Das werde ich machen“, erwidere ich und fühle mich von so viel Güte überwältigt. „Ich danke dir, Dava.“
    „Schon gut. Im Moment ist mein einziger Wunsch, dass du wohlbehalten in London ankommst.“
    Wieder will ich ihr danken, doch sie fasst mich am Arm und führt mich von der Terrasse. „Komm jetzt.“ Ich schaue ein letztes Mal über die Schulter zu den Bergen, dann folge ich Dava fast widerstrebend um das Schloss herum zur Gebäudevorderseite. In einem schwarzen Wagen mit laufendem Motor sitzt ein Mann, der normalerweise als Hausmeister arbeitet. „Johann wird dich zum Bahnhof fahren“, erklärt mir Dava, dann legt sie die Hände auf meine Schultern und gibt mir einen festen Kuss auf beide Wangen. „Du bist eine starke Frau, Marta. Du hast überlebt, was kaum jemand überlebt hätte. Vor dir liegt eine wunderbare Zukunft, schau nicht zurück.“
    Ich nicke, während sich meine Kehle zuzieht.
    „Geh mit Gott.“ Mit diesen Worten dreht sich Dava um und kehrt ins Haus zurück. Ich will ihr noch einmal danken, doch da ist die Tür bereits hinter ihr zugefallen.
    Ich sehe zum Wagen und stehe nervös und unschlüssig da. Ich habe noch nicht oft in einem Auto gesessen, meist nur für kurze, verstohlene Fahrten im Auftrag des Widerstands. Schließlich setze ich mich auf den Beifahrersitz und ziehe die Tür

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