Die Frau des Germanen
geschehen war, gleichmütig beantwortet. »Alles läuft
nach Plan. Segestes und Ingomar scheinen ahnungslos zu sein. In Kürze wird ein gebotenes Thing stattfinden, zu dem beide nicht
geladen werden.«
Hermut hatte ihn unterbrochen. »Bist du sicher, dass sie nichts davon wissen?«
»Ja, das bin ich«, hatte Arminius ungeduldig geantwortet. »Es gibt ein Risiko, das weiß ich, aber wir müssen es eingehen.
Ist die Freiheit nicht wichtig genug, um für sie etwas zu wagen?«
Sie hatten vor dem Haus auf einer steinernen Bank gesessen und sehr leise gesprochen, damit niemand aufwachte, der auf der
anderen Seite der Hauswand schlief. Doch dann war Arminius’ Stimme immer lauter geworden. In seiner Entschlossenheit, in dem
festen Willen, sein Volk zu retten, und der Überzeugung, das Richtige zu tun, konnte er nicht leise sein. »Sie werden mich
zu ihrem Feldherrn machen, und jeder Gaufürst wird seinen |240| Treueeid sprechen. Sämtliche Einheiten müssen bereit sein, wenn es so weit ist, aber erst im allerletzten Moment werden sie
in Stellung gehen.«
In der vergangenen Nacht hatte nun das gebotene Thing stattgefunden, in der Nacht nach Sonnenfinsternis, so hatte es die Priesterin
bestimmt, die in langen Gebeten die Gunst der Götter erfragt hatte. Arminius musste drei Schimmel und einen weißen Stier auf
dem Altar im heiligen Hain opfern, dann kam Aelda mit der Nachricht, dass die Götter ihm gewogen seien.
Wieder hatte Thusnelda gewartet, auch diesmal mit Hermut an ihrer Seite und von der gleichen Angst erfüllt wie beim letzten
Mal.
Sie legte sich ihren Umhang um und verließ die Schlafkammer, ohne dass Arminius erwachte. Die Entscheidung war gefallen, die
Zeit der größten Angst und Sorge hatte begonnen. Aus der Angst der letzten Nacht, die schnell überwunden gewesen war, würde
etwas werden, das nur Sieg oder Niederlage kannte, Leben oder Tod, Entsetzen oder Glück, vielleicht auch nur Überleben. Die
Gaufürsten aller germanischen Stämme hatten sich am Fuß der Externsteine zusammengefunden und Arminius zu ihrem Feldherrn
gewählt. Für den entscheidenden Kampf gegen Rom hatten sie ihm Treue bis in den Tod gelobt. Es gab kein Zurück mehr. Die Krieger
der vereinten germanischen Stämme standen bereit zum Kampf gegen die Legionen, und Arminius hatte nun einen Auftrag erhalten.
Er war dazu ausersehen, die Freiheit der Germanen zu retten, sein Land, sein Volk. Und sie, seine Frau, war dazu ausersehen,
sein Schicksal zu teilen. Sie würde sich frei nennen können, obwohl sie sich nie unfrei gefühlt hatte, oder tot sein, versklavt,
in Gefangenschaft, und das, obwohl sie doch immer frei gewesen war. Aber sie hatte eingesehen, dass ihre Art von Freiheit
nur Privileg gewesen war. Es wurde Zeit, dass auch sie etwas für die Freiheit opferte.
Thusnelda öffnet die Tür zum Stall, aus dem ihr die Wärme entgegenschlug, welche die vielen Tierleiber erzeugten. Inaja wartete
dort auf sie. Der Wassertrog, in dem sie ihre Herrin waschen |241| wollte, stand schon bereit. Die anderen Mägde und Knechte, die ihre Schlafplätze im Stall hatten, waren bereits bei der Arbeit.
Wie immer begannen sie den Tag im gemeinsamen Schweigen. Bevor Thusnelda das Gespräch begann, sagte ihre Dienstmagd kein einziges
Wort. So war es schon gewesen, als sie noch in der Eresburg gelebt hatten.
»Hast du auf Hermut gewartet heute Nacht?«, fragte Thusnelda schließlich.
Inaja lachte erstaunt. »Warum sollte ich auf ihn warten? Ich finde es sehr angenehm, die Schlafbank für mich allein zu haben.
Wenn Hermut nicht neben mir liegt, schlafe ich besser als mit ihm zusammen.«
Thusnelda warf ihr einen schnellen Blick zu. Nachdem Arminius ihr seine Sorgen um die Ehe seines besten Freundes anvertraut
hatte, war sie wachsamer geworden und zu dem gleichen Schluss gekommen wie er. Hermut liebte Inaja nach wie vor, sie jedoch
schien das Glück der ersten Liebe bereits vergessen zu haben. Sie war gleichgültig geworden, von Tag zu Tag mehr. Die Liebe,
zu der sie fähig war, gehörte allein Gerlef, und für ihre Herrin bewahrte sie so viel Anerkennung und Treue, dass Thusnelda
sich gelegentlich sogar von ihr geliebt fühlte. Aber ausgerechnet Hermut bekam ihre Liebe nicht.
»Es steht nun fest«, sagte Thusnelda, während Inaja ihr den Rücken wusch. »Die germanischen Stämme sind vereint, sie alle
werden sich gemeinsam gegen Varus und seine Legionen stellen, wenn sie ins Winterlager ziehen. Es
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