Die Frau des Germanen
zwangsversetzt. Er ließe es nicht zu, dass jemand seinen Freund Arminius verunglimpfe.«
Hermut stieß ein Lachen aus, das amüsiert und verächtlich zugleich war. »Ein Mann wie Varus sollte wirklich nicht so gutgläubig
sein!«
»Es kam sogar noch schlimmer«, berichtete Arminius weiter. »Flavus hat ihm eine Mitteilung von zwei Kommandanten rheinischer
Kastelle gemacht.«
»Seine Warnung!«, flüsterte Thusnelda.
»Den beiden ist aufgefallen, dass ich in den letzten Monaten verstärkt Krieger einziehe. Als ich das hörte, war ich wirklich
beunruhigt. Wie sollte ich Varus diese Aufrüstung erklären?«
»Und wie hast du sie ihm erklärt?«, fragte Thusnelda.
Arminius lachte leise. »Ich brauchte nichts dazu zu sagen, Varus tat es für mich. Er erklärte mir, er habe diesen Verdacht
zurückgewiesen. Er wisse doch, dass ich die Krieger der anderen Stämme nur für ihn, Varus, einziehe. Er hat einen Kurier zum
Kaiser geschickt mit ein paar Wachstäfelchen, in die er eingeritzt hat, sein Freund Arminius rüste auf, um schlagkräftig gegen
seine Barbaren zu sein. Ich wolle germanische Aufstände verhindern, hat er dem Kaiser geschrieben, aus diesem Grunde brauche
ich Krieger, um jederzeit eingreifen zu können, wenn es Unruhe in einem Stamm gäbe.«
|249| Es entstand eine lange Zeit der Stille. Gerlef schlief nun fest in Hermuts Arm, der Daumen war ihm aus dem Mund gerutscht,
das schmatzende Geräusch verstummt. Die Sommernacht war so klar und still, als müssten die Gedanken, Gefühle, Ängste und Sorgen,
Mut und Zuversicht festgehalten werden, als könnten sie davonfliegen und sich direkt über ihren Köpfen auflösen und zum Teil
der Nacht werden.
»Hoffentlich macht Varus dir nichts vor«, flüsterte Thusnelda.
»Mir scheint, er vertraut mir blind«, sagte Arminius ernst. »So sicher bin ich mir dessen, dass ich mich sogar schuldig fühle,
weil ich sein Vertrauen missbrauche.«
15.
S everina hielt sich in letzter Zeit häufig mit Silvanus im Haus des Kaisers auf. Sie sorgte dann dafür, dass der Blick ihres
Großvaters auf den kleinen blonden Jungen fiel, wenn er besonders hübsch und niedlich anzusehen war. Silvanus’ Sprachschatz
war wesentlich größer als Caligulas, und Severina achtete darauf, dass dem Kaiser auffiel, wie verständig und klug ihr Sohn
sich äußerte. Den gewünschten Erfolg jedoch hatte sie damit bisher nicht errungen. Noch immer war der Kaiser weit mehr an
Germanicus’ Kindern interessiert als an ihrem Sohn, aber Severina baute darauf, dass der tägliche Umgang mit Silvanus Augustus’
Gefühle nach und nach prägen würde. Irgendwann musste er den Kleinen einfach gern haben, weil er an ihn gewöhnt war!
Das Stadthaus des Kaisers war komfortabel, jedoch nicht prunkvoll ausgestattet. In seinem Landhaus liebte er es noch einfacher,
hier wie dort ging es bescheidener zu als bei den meisten reichen Römern. Zwar war jeder Raum mit kostbaren Teppichen ausgelegt,
es gab weidengeflochtene Sessel, weich gepolsterte Stühle mit hohen geschwungenen Rückenlehnen, |250| daneben kleine Tische aus Holz, aber Prunk suchte man vergeblich. Kaiser Augustus brauchte kein Gold und kein Silber in seinen
Räumen, er liebte eine andere Art von Luxus: Durch sämtliche Räume flogen Papageien, die er besonders liebte. Und wehe, jemand
rümpfte die Nase, der von ihren Hinterlassenschaften getroffen wurde!
Augustus residierte an diesem Tag in dem größten Raum, der sich über eine der vier Seiten erstreckte, die das Atrium umgaben.
Ein riesiges Fenster füllte den Raum mit Licht, zahlreiche Sklaven sorgten dafür, dass der Kaiser die Wärme genießen konnte,
die er liebte, dass aber seinen Gästen, die sie weniger liebten, etwas geboten wurde, was sie erfrischte. Zu allen Jahreszeiten
hatte Augustus deshalb Schnee und Eis parat, um Getränke zu kühlen. Über die Ausgaben für diesen Aufwand verlor er kein Wort,
während er die Protzerei mancher Römer harsch kritisierte, in deren Häusern Gold und Silber funkelte. Unter dem Haus des Kaisers
war ein Schneekeller angelegt worden, wo zusammengepresster Schnee in großen Gruben gelagert wurde, isoliert von Gras, Stroh,
Baumzweigen, Erde oder auch Leintüchern. Durch den Druck ging der Schnee in Eis über, so dass Augustus jederzeit, auch im
Sommer, Eis zur Verfügung hatte, an dem er mittlerweile auch selbst Gefallen gefunden hatte. Ein Heer von Sklaven sorgte seitdem
dafür, dass der Schnee von
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