Die Frau des Germanen
weither aus den Bergen geholt wurde, denn der Kaiser, der die Wärme liebte, liebte nun auch gekühlte
Getränke, obwohl er unter Magenbeschwerden litt, seit er sich regelmäßig Eis in den Wein geben ließ.
Kaiser Augustus thronte auf einem mit rotem Samt bezogenen Stuhl, seine Arme ruhten auf breiten Lehnen, viele bunte Seidenkissen
stützten ihn. Der Stuhl stand auf einem Podest in der Nähe des Fensters, so dass das Licht ihn von hinten beschien. Severina
beobachtete, dass er sich manchmal leicht vorbeugte und den Rücken rundete, als wollte er die Wärme überall hinführen, wo
sie ihm guttat.
Er ließ nun diejenigen vortreten, die er gerufen hatte, und |251| dann auch diejenigen, die ihrerseits ein Anliegen vorzubringen hatten. Severina betrachtete abschätzig die lange Reihe der
Kriecher und Schleimer, die vor Augustus buckelten, und die wenigen, die ihren Stolz in der langen Reihe nicht verloren hatten,
wenn sie vor den Kaiser traten.
Als sie den blonden Schopf bemerkte, runzelte sie die Stirn. Was hatte Flavus mit dem Kaiser zu besprechen? Dass er eine Bitte
an ihn hatte, war nicht anzunehmen. Also war er vom Kaiser gerufen worden. Warum?
Sie winkte Sosia heran und schob ihr Silvanus entgegen. »Geh mit ihm in den Garten!«
Dann ließ sie sich auf einem zierlichen Stuhl nieder, der in der Nähe des Kaisers stand, und rief nach Gaviana. »Bring mir
Wein!«
Er wurde ihr in einem kunstvoll verzierten Silberpokal gereicht, Severina führte ihn an den Mund, ohne Flavus aus den Augen
zu lassen.
Es dauerte nicht lange, da wurde er auf sie aufmerksam. Es begann damit, dass sein Blick unstet wurde, dann schien er zu spüren,
woher die Aufmerksamkeit kam, die auf ihn gerichtet war, und schließlich sah er sie. Röte schoss in seine Wangen, auf seiner
Stirn erschienen dicke Schweißperlen. Severina schenkte ihm ein kleines Lächeln, das alles und nichts bedeuten konnte, anschließend
aber sah sie kein einziges Mal mehr zu ihm hin. Trotzdem bemerkte sie, dass sich seine Finger nervös verknoteten, während
er darauf wartete, dass er an die Reihe kam.
Erst als Flavus endlich vor dem Stuhl des Kaisers angekommen war, richtete Severina wieder ihr Augenmerk auf ihn. Er war nun
ganz auf die Worte des Kaisers konzentriert, sie konnte ihn beobachten, ohne dass es ihm auffiel. Leider war der Abstand zu
groß für ein leichtes Mithören des Gesprächs. Sie musste die beiden fest im Auge behalten und auf ihre Gesten, ihr Mienenspiel
und die Bewegungen ihrer Lippen achten, wenn sie mitbekommen wollte, was zwischen dem Kaiser und Flavus besprochen wurde.
Gaviana bewies zum Glück mal wieder, dass sie nach wie vor |252| die beste Sklavin in Severinas Haushalt war. Demonstrativ stellte sie sich zwischen ihre Herrin und die Frau des reichen Pollio,
so dass diese davon absah, Severina anzusprechen.
Kaiser Augustus lächelte Flavus wohlwollend an. »Ihr braucht mir nicht Bericht zu erstatten«, sagte er. »Der Statthalter in
Germanien hat mir bereits durch einen Kurier mitteilen lassen, dass alles in Ordnung ist.«
Flavus sah ihn erstaunt an. »Er macht sich keine Sorgen?«
»Warum sollte er? Was könnte Euer Bruder schon gegen Rom ausrichten? Und vor allem: Warum sollte er es wollen?«
Flavus neigte demütig sein Haupt und antwortete, was der
Kaiser hören wollte: »Rom ist unbesiegbar!«
»Und Euer Bruder ist Varus’ Freund«, ergänzte der Kaiser milde. »Ihr könnt ganz unbesorgt sein! Was die beiden Kommandanten
beobachtet haben, diente nur dem Frieden in Eurer Heimat. Arminius braucht Krieger, um aufständische Stämme zu bekämpfen und
für Ruhe und Ordnung sorgen zu können. Das ist alles! Varus hat mich überzeugt.«
Mit einer knappen, aber durchaus freundlichen Handbewegung zeigte der Kaiser an, dass die Audienz beendet und Flavus entlassen
war.
Er verneigte sich, ging ein paar Schritte rückwärts, verneigte sich ein weiteres Mal, dann glitt der Blick des Kaisers zum
nächsten Besucher.
Sofort richtete Flavus sein Augenmerk auf Severina. »Ich hatte gehofft, Euch hier zu treffen. Andernfalls hätte ich Euch meine
Aufwartung gemacht.«
Sie erhob sich und bewegte sich gemächlich zur Tür hin, die ins Atrium führte. Sie wusste, dass die weiße Seide ihrer Tunika
leicht durchscheinend war und ihr Körper im Gegenlicht etwas preisgab, was jeden Mann in ihrer Nähe in Unruhe versetzte.
Sie wartete, bis Flavus sich an ihre Seite geschoben hatte. »Was habe ich
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