Die Frau des Germanen
an? Sie werden uns in den kommenden Monaten fehlen.«
Thordis hatte ihren Sohn nicht angesehen, als sie ihm antwortete: »Möglicherweise werden wir sie nicht mehr brauchen. Dann
wäre es schade, wenn sie den Römern in die Hände fallen oder verderben.«
Sie hatte frisches Bier gegoren und bestrich die Teigfladen nun sogar mit Honig. Mehrere Hühner waren gebraten und mit Beeren
gefüllt worden, die eigentlich für den Winter getrocknet werden sollten. In der Asche hatte Thordis sie gegart, nun hob sie
die Hühner heraus und schnitt sie auf. Inaja wurde angewiesen, zu den Knechten und Mägden so viel Essen herauszubringen, wie
sie vertragen konnten. »Es soll ihnen noch einmal richtig gut gehen.«
Obwohl Arminius protestierte, holte Thordis sogar den Bärenschinken vom Balken, der noch Monate dort reifen sollte, schnitt
ihn auf und bestrich ihn ebenfalls mit Honig. Dass niemandem ein Essen schmeckte, das so offensichtlich eine Henkersmahlzeit
werden sollte, kam ihr anscheinend nicht in den Sinn.
Hermut erhob sich, kaum dass er gesättigt war. »Ich muss zu den Einheiten zurück.« Fragend blickte er Arminius an. »Am Einsatzbefehl
hat sich nichts geändert?«
Arminius schüttelte den Kopf. »Es ist alles gut vorbereitet. Unser Plan wird aufgehen.« Er erhob sich und zog seinen Freund
zum Ausgang. »Ihr bleibt in Deckung, bis die zweite Legion |258| vorübergezogen ist. Dann erfolgt der Angriff auf die langgezogene Flanke. Das erste Drittel rennt gegen die erste Legion,
das zweite gegen die dritte. Du stürmst mit deinen Männern direkt auf die zweite zu, dort komme ich dir entgegen, und wir
wenden uns gemeinsam gegen die Römer. Es kann nichts schiefgehen.«
Thusnelda hatte lange nichts gesagt, nun klang ihre Stimme rau, als wäre sie nicht mehr geübt in hellen Lauten. »Mir wäre
es lieber, du würdest mit Hermut zusammenbleiben. Dass du dich nochmals in Varus’ Nähe begeben willst …«
Arminius unterbrach sie, indem er zu ihr zurückkam und nach ihrer Hand griff. Währenddessen winkte Hermut Inaja nach draußen,
um sich dort von ihr zu verabschieden. »So ist es am sichersten«, erklärte Arminius. »Sollte er auch nur den geringsten Zweifel
an mir gehabt haben, dann ist er spätestens jetzt ausgeräumt. Dass ich ihm angeboten habe, ihm bis zum Rhein Geleit zu geben,
rechnet er mir hoch an. Möglich, dass er sich wirklich überlegt hat, ob ein Angriff zu befürchten ist. Jetzt jedenfalls ist
er sorglos. Er sagt sich, dass ich ihn nicht mit meinen Gefolgsleuten begleiten und gleichzeitig ein kleines Heer gegen ihn
aufmarschieren lassen kann.«
Thusnelda nickte wie ein gescholtenes Kind. »Aber was ist, wenn er auf der Heerstraße bleiben will?«
Arminius verlor nichts von seiner Geduld, obwohl nun auch Thordis und Wiete ihre Zweifel anbrachten. »Warum sollte ich ihm
Geleit geben, wenn die Legionen auf der Heerstraße marschieren? Er hat deshalb mein Angebot angenommen, weil er mir geglaubt
hat, dass sich Aufstände formieren. Er will sie zerschlagen, ehe mehr daraus wird. Sozusagen auf einem Wege ohne zusätzlichen
Aufwand!«
»Bist du sicher?«, fragte Wiete. »Drei Legionen umleiten, nur um ein paar Aufständische zurückzudrängen? Will er das wirklich?«
Arminius nickte. »Noch etwas hat er mir geglaubt. Oder sagen wir es besser so … Ich habe ihn dazu gebracht, selber diese Idee
zu formulieren. Er denkt, dass er ein weitsichtiger Feldherr |259| ist, der die Gelegenheit nutzt, die Stärke des römischen Heeres zu demonstrieren. Varus sagt sich, dass es nie wieder zu Aufständen
kommen wird, wenn die Stammesführer sehen, gegen welche Macht sie sich stellen wollen. Für dieses Ergebnis macht Varus den
Umweg gern.«
»Und wenn er unterwegs etwas merkt?«, fragte Thusnelda.
»Oder wenn es dir nicht gelingt, dich unbemerkt zu entfernen und zu Hermut zu stoßen?«, ergänzte Thordis.
»Das wird mir gelingen«, sagte Arminius voller Zuversicht. »Und Varus wird nichts merken. Hermut und ich haben alles genau
durchgesprochen. Auch die andern Stammesführer wissen, wann und wie sie zu ihren Einheiten stoßen können.«
Wiete kamen nun ebenfalls Zweifel. »Ich glaube, dass es einen Verräter unter den Stammesführern gibt. Wie sonst hat Segestes
von deinen Plänen erfahren?«
Varus hatte den Termin des Abmarschs ins Winterlager so gelegt, dass am Tag, bevor zum Aufbruch gerüstet wurde, noch der Geburtstag
des Kaisers feierlich begangen werden
Weitere Kostenlose Bücher