Die Frau des Germanen
amüsiertes Gelächter aus. Severina war sehr zufrieden, dass ihr Sohn immer wohlwollender betrachtet wurde und die Frage,
wie sie an dieses blonde Kind gekommen war, immer seltener durch die Höflichkeiten schien, die der Enkelin des Kaisers gebührten.
Möglich auch, dass sich Flavus’ häufige Besuche in ihrem Hause herumgesprochen hatten. Die Blicke, die zwischen Silvanus und
Flavus hin und her wanderten, sprachen jedenfalls eine immer deutlichere Sprache. Severina unternahm nichts gegen die Gerüchte,
die sich bildeten. Flavus kannte sie genauso gut wie sie selbst und schien sie zu seinem Vorteil auszulegen. Auch dagegen
unternahm Severina nichts. Dass er für Silvanus’ Vater gehalten wurde, motivierte ihn, seine Pläne weiter zu verfolgen und
nicht an ihrer Verwirklichung zu zweifeln.
Severina lehnte sich zurück und lächelte in sich hinein. Endlich konnte sie ihr Ziel ansteuern. Die Zeit war gekommen, es
deutlich auszusprechen. Flavus musste endlich wissen, was sie von ihm erwartete. Sicherlich ahnte er es längst, aber er musste
es ihr nachsprechen, laut und deutlich. Seine eigene Stimme musste er davon reden hören, dass sein Bruder im Wege war. Arminius
musste sterben, damit die Mutter seines Sohnes endlich frei war, das wollte sie ihn klar und unmissverständlich sagen hören.
Sobald er nicht mehr nur ahnte oder mutmaßte, sondern es genau wusste und so überzeugt versicherte, dass er später nicht wieder
zurückkonnte, würde sie ihre Pläne konkretisieren. Sie musste endlich ihre Rache bekommen. Es wurde Zeit!
Zerstreut hörte sie zu, wie die Senatoren dem Kaiser vorsichtig nahelegten, die Lex Julia weniger streng zu handhaben. Die
Mitglieder der kaiserlichen Familie kümmerten sich nicht um diese Gesetze, mit der Augustus für Sitte und Moral im lasterhaften
Rom sorgen wollte. Und so murrte das Volk natürlich, wenn es selbst für etwas bestraft wurde, was der Kaiser seinen |272| eigenen Angehörigen nachsah. Dass Kaiser Augustus selbst in jüngeren Jahren kein Muster an römischer Tugend gewesen war, davon
redete selbstverständlich niemand. Aber jeder dachte daran, dass er seine dritte Frau Livia nur hatte heiraten können, weil
deren Ehemann gezwungen worden war, sich von ihr scheiden zu lassen. Als er sich dann aber Erster Bürger Roms nannte und sich
selbst zum Sittenwächter machte, hatte Augustus in seiner Familie ein Exempel statuiert, um dem Volk zu zeigen, dass er einer
der ihren sein wollte. Seine Tochter war nach den Gesetzen der Lex Julia wegen ihres sittenlosen Lebenswandels verurteilt
und auf eine einsame Insel verbannt worden. Das hatte ihm im Volk Respekt eingebracht. Nun versuchten die Senatoren, dem Kaiser
vorsichtig die Einsicht einzuflößen, dass dieser Respekt längst aufgebraucht war. Augustus sollte einsehen, dass das Volk
nicht mehr zu etwas zu zwingen war, um das sich in der kaiserlichen Familie niemand scherte.
Antonius Andecamus meldete sich als einer der Ersten zu Wort. »Junge Männer sind nicht damit einverstanden, dass sie ihr Erbe
nicht antreten dürfen, weil sie nicht verheiratet sind.«
Der Kaiser blickte unbewegt zu Boden. »Dann sollen sie eben heiraten. Sie wissen, dass sie als Ehemänner alle Rechte als freie
Römer genießen. Ich will, dass die Männer meines Volkes Familienväter sind, die sich um Frau und Kinder kümmern, statt herumzuhuren.«
Ein anderer Senator mischte sich ein. »Ich habe einen verheirateten, aber kinderlosen Mann klagen hören. Er muss, weil er
keine Nachkommen hat, so hohe Steuern zahlen, dass er sich kaum noch Sklaven leisten kann.«
»Soll er doch Kinder zeugen!«, antwortete der Kaiser.
»Wie soll er das tun, wenn seine Frau unfruchtbar ist?«, fragte Andecamus. »Geschlechtsverkehr mit einer unverheirateten Römerin
ist nach der Lex Julia ja ebenfalls strafbar.«
Severina gestattete sich ein Lächeln, das jedoch sofort erlosch, als sie merkte, dass Antonius Andecamus sie anblickte. Sie
schob Silvanus von sich weg und winkte nach Gaviana, um ihr zu zeigen, |273| dass sie gehen wollte. Sie fühlte sich unwohl, dieser Debatte wollte sie nicht beiwohnen. Anzügliche Blicke ihres Großvaters
hatte sie zur Genüge ertragen, ehe er sich damit abgefunden hatte, dass sie als Witwe schwanger geworden war. Die Gefahr,
dass er sie in einem Anfall von lächerlicher Sittenstrenge als schlechtes Beispiel vorführte, war ihr zur groß. Am Ende würde
er noch gezwungen sein, auch sie
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