Die Frau des Germanen
wird er dafür sorgen, dass der Verlust der drei Legionen gerächt wird.«
»Woher willst du das wissen?«
»Arminius hat es mir erklärt.« Thusnelda merkte nicht, dass sie lächelte, als sie an die wunderbaren Abende auf dem gemeinsamen
Schlaffell dachte, an die Ungestörtheit in ihrer kleinen Kammer, wenn Arminius alle Sorgen mit ihr geteilt hatte.
Wiete sah sie prompt ungläubig an. »Arminius redet mit dir über seine Pläne? Über seine Aufgaben als Fürst der Cherusker?«
Thusnelda nickte stolz. »Hast du vergessen, dass wir verheiratet sind, weil wir uns lieben?«
Wiete schüttelte den Kopf, als wollte sie nichts davon hören. »Nein, nein!« Über eine Liebesheirat zu reden erschien ihr wohl
unschicklich. »Die Römer wissen jetzt, dass die Germanen unbesiegbar sind.«
»Wir sind nicht unbesiegbar«, sagte Thusnelda eindringlich. »Die Römer wissen, dass wir nur stärker waren, weil Arminius eine
List angewandt hat, auf die Varus hereingefallen ist.«
»Und was ist mit den Siegen, die Arminius gegen Tiberius errungen hat? Tiberius hat keinen seiner Rachefeldzüge zu Ende führen
können.«
»Das waren keine Siege«, betonte Thusnelda. »Arminius hat Tiberius lediglich zurückgedrängt. Diese Angriffe hatten auch nichts
mit Rache zu tun. Kaiser Augustus hat seinen Stiefsohn an den Rhein geschickt, damit er Arminius’ Vorstoß nach Gallien |285| verhindert. Ihm kommt anscheinend nicht in den Sinn, dass Arminius das germanische Reich gar nicht vergrößern will. Er möchte
nur die vereinigten germanischen Stämme zusammenhalten und dafür sorgen, dass sie unabhängig sind und ihre alten Lebensweisen
wieder aufnehmen können.«
»Tiberius hat ganze Landstriche zerstört!« Wiete sah Thusnelda empört an. »Ich weiß am besten, was das für die Menschen bedeutet,
die dort gelebt haben. Das soll keine Rache gewesen sein? Doch, es war Rache. Und jetzt wissen die Römer, dass es besser ist,
wenn sie auf Rache verzichten.«
Thusnelda schüttelte den Kopf. »Die Römer gebärden sich wie verletzte Tiere, die in blinder Wut nach ihrem Peiniger schlagen,
ohne ihn wirklich zu treffen.«
»Na, also! Sie haben verstanden, dass sie gegen uns nichts ausrichten können.«
»Sie werden ihre blinde Wut irgendwann überwunden haben und einen Angriff genau planen. Davor müssen wir uns schützen.«
»Sagt das auch Arminius?« Wietes Stimme klang scharf. Nun war sie ihrer Mutter wieder sehr ähnlich, die Thusnelda in einem
Augenblick wie diesem genauso abweisend angesehen hätte.
»Ja, er hat gesagt, die Auseinandersetzungen mit Tiberius waren nur Scharmützel, keine wirklichen Gefechte. Die stehen uns
noch bevor.«
Wiete betrachtete das Gesicht ihrer Mutter, und auch Thusnelda fragte sich, ob Thordis eigentlich verstand, worüber sie redeten,
oder ob es ihr genügte, dass die beiden Stimmen sie bewachten.
»Sämtliche Niederlagen werden ein Stachel im Fleisch der Römer sein«, fuhr Thusnelda leise fort. »Arminius ist in großer Sorge,
weil die anderen Stammesfürsten nicht einsehen wollen, dass Germanien wachsam bleiben muss. Sie denken wie du. Nach der Schlacht
haben alle nur an die Siegesfeier und an die Beute gedacht, die sie den toten Legionären abgenommen haben. Jetzt sind sie
satt und fühlen sich sicher, ähnlich wie Varus. Er fühlte sich auch sicher. Und wir wissen ja, wohin seine Vertrauensseligkeit
führte.«
|286| Wiete schien noch immer nicht überzeugt zu sein. »Sie werden Arminius zu ihrem Oberhaupt machen. Wenn die Römer davon hören,
werden sie sich nicht trauen, uns anzugreifen. Sie wissen, wie schlau Arminius ist. Und wie stark und mutig!«
Thusnelda schüttelte den Kopf. »Du vergisst euren Onkel Ingomar und meinen Vater. Obwohl sie Arminius so viel zu verdanken
haben, stellen sie sich erneut gegen ihn. Sie spielen ihr Alter aus und ihre Erfahrungen. Beide wollen die Krone für sich.
Sie lehnen Arminius als Oberhaupt der Germanen ab.«
Wiete war empört. »Ingomar und Segestes stehen immer noch auf der Seite der Römer?«
»Arminius jedenfalls glaubt es«, antwortete Thusnelda nachdenklich. »Aber die beiden dürfen nicht an die Macht kommen. Sonst
endet Germanien doch noch als Provinz des römischen Reiches. Dann wird es keine freien Germanen mehr geben, unsere Kinder
werden zu Sklaven gemacht.«
»Dann ist es ja gut, dass du keine Kinder hast!« Plötzlich war sie wieder da, Wietes Feindseligkeit, die Thusnelda überwunden
geglaubt
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