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Die Frau des Germanen

Die Frau des Germanen

Titel: Die Frau des Germanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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lebe.«
    Wiete griff nach Thordis’ linker Hand, Thusnelda nach ihrer rechten. Für beide waren es unwillkürliche Gesten gewesen, aus
     dem Bedürfnis entstanden, Thordis so viel Trost wie möglich zu geben. Was aber plötzlich daraus erwuchs, war viel mehr als
     eine tröstliche Berührung. Aus diesem Zusammenfügen der Hände wurde ein Bündnis, das bis zu diesem Tag nur eine Verbindung
     gewesen war, um die sich niemand bemüht hatte. Thordis hatte der Ehe ihres Ältesten, die ohne den Segen des Vaters zustande
     gekommen war, von vornherein misstrauisch gegenübergestanden, und das böse Omen, das die Götter am Tag der Hochzeit über den
     Ehebund gesenkt hatten, hatte sie blind gemacht für die Liebe des Paares. Die Kinderlosigkeit der beiden stand wie ein stummer
     Vorwurf in Thordis’ Gesicht, wenn sie mit ihrer Schwiegertochter sprach. Jetzt schien er endlich daraus zu verschwinden.
    Wiete hatte lange fest an der Seite ihrer Mutter gestanden, doch ihre Feindseligkeit war bereits gewichen, als ihr eigenes
     Unglück nicht mehr den Sinn ihres Lebens ausmachte. Zwar hoffte sie immer noch darauf, dass ihr Gemahl am Leben war und eines
     Tages vor der Teutoburg erscheinen würde, aber allmählich war die Fluchtburg für Wiete wieder ihr Zuhause geworden, ihr Heim,
     in das sie gehörte und zu dem auch Thusnelda gehörte. Seit Thordis krank geworden war und sie sich die Pflege teilten, gingen
     sie sich nicht mehr aus dem Wege, sondern verbrachten ihre Zeit gemeinsam, saßen gemeinsam an Thordis’ Bett, obwohl es vernünftiger
     gewesen wäre, Kraft und Zeit zu teilen, damit Thordis nie allein sein musste. Wiete war zwar keine Freundin für Thusnelda
     geworden und auch keine Schwester, dennoch war etwas zwischen ihnen entstanden, was das Leben auf der Teutoburg schöner machte.
     Es gab Gespräche, fröhliche Plaudereien, Gelächter und nun auch die gemeinsame Sorge um Thordis.
    |283| In diesem Moment, in dem der Zusammenhalt so deutlich war, so dicht, dass man sich daran festhalten konnte, hätte Thusnelda
     gern die Stille zwischen ihnen genossen, aber Thordis’ Wunsch hatte Vorrang. Sie mussten reden, damit ihre Schwiegermutter
     sich nicht einsam fühlte.
    »Arminius will dieses Thing nutzen, um die anderen Stammesfürsten zu warnen«, begann sie. »Sie wiegen sich zu sehr in Sicherheit.
     Sie glauben, Rom sei ein für allemal besiegt.«
    »Ist es doch auch«, gab Wiete zurück. »Drei Legionen sind ausgelöscht! So viele Soldaten müssen sie erst mal wieder heranwachsen!«
    »Rom ist ein riesiges Reich, darin leben unzählige Menschen.«
    Wiete schien nun zu vergessen, dass Thordis zwar Gesellschaft, aber auch Ruhe brauchte. Ihre Stimme wurde laut und heftig.
     »Denk an die Truppen, mit denen Tiberius über den Rhein vorgestoßen ist! Wahrscheinlich waren die Soldaten viel zu jung und
     unerfahren. Arminius hat die Angriffe allesamt zurückgeschlagen.«
    Auch Thusnelda vergaß ihre sterbende Schwiegermutter für Augenblicke. »Er fürchtet trotzdem, dass Rom keine Ruhe geben wird.
     Er glaubt nicht, dass Rom keine Soldaten mehr besitzt. Tiberius’ Angriffe waren halbherzig …«
    »… weil er Angst hatte, dass es ihm genauso ergeht wie Varus!«, warf Wiete ein.
    »Ein römischer Kaiser hat keine Angst«, hielt Thusnelda dagegen. »Vergiss nicht: Tiberius wird bald den Thron besteigen. Augustus
     ist sehr krank, und sein Stiefsohn wird sein Nachfolger. Wenn er erst Kaiser Tiberius ist, wird es noch schwerer wiegen, dass
     seine Versuche, Rom zu rächen, allesamt fehlgeschlagen sind. Tiberius’ Hass wird gewaltig sein. Und der Hass eines Kaisers
     ist etwas, was man fürchten muss.«
    Wietes Blick wurde nun ängstlich. »Aber es wird Jahre dauern, bis er so weit ist«, begann sie erneut. »Die Verluste aus der
     Varusschlacht …«
    Thusnelda unterbrach ihre Schwägerin ungeduldig. »Glaub |284| mir, Wiete, Rom hat noch viele Legionen zur Verfügung, die gegen Germanien aufmarschieren können. Arminius hat mir erklärt,
     dass Rom außerdem reichlich Nachschub an Soldaten, Pferden und Waffen aus seinen Provinzen bekommt.«
    »Du meinst, sie könnten es wagen zurückzuschlagen?« Wiete schien es immer noch nicht glauben zu wollen.
    »Fürs erste ist wohl nichts zu befürchten«, sagte Thusnelda. »Tiberius ist nach Rom zurückgekehrt, um zur Stelle zu sein,
     wenn sein Stiefvater stirbt. Deswegen hat er sich zurückgezogen. Nicht, weil er aufgegeben hat. Aber sobald er zum Kaiser
     gekrönt worden ist,

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