Die Frau des Germanen
beugte, fragte er: »Liebst du mich auch?«
Inaja versicherte es, so oft er wollte. Und als er in sie eindrang, schrie sie es ihm sogar zu, immer wieder, immer lauter,
damit er es glaubte. Sie spürte seine Enttäuschung, dieses kurze Verharren, als alles so leichtging, die unausgesprochene
Frage, wer der Mann vor ihm gewesen war. Aber Inaja sorgte dafür, dass sie nicht gestellt wurde. Sie glaubte sogar, dass Hermut
sie vergessen hatte, als er sich von ihrem Körper herunterrollte.
Ihr erstes Ziel hatte sie damit erreicht. Nun kam es darauf an, noch zum zweiten, zum ganz großen, alles überragenden Ziel
zu gelangen.
Schon bald kam sie auf Thusnelda und Arminius zu sprechen. »Meine Herrin hat sich Hals über Kopf in Arminius verliebt«, behauptete
Inaja. »Du ahnst nicht, wie unglücklich sie ist, weil ihr Vater sie mit Fürst Aristan verlobt hat!«
Sie fragte sich, wie sie herausfinden konnte, ob das, was sie sagte, wirklich der Wahrheit entsprach. Tatsache war, dass sie
Thusneldas Gefühle nicht kannte, dass sie sie zwar erahnte, dass sie viel von den Sehnsüchten ihrer Herrin wusste, aber wiederum
nichts von deren Ziel. Nur ihr eigenes Ziel hatte sie vor Augen. Unbeirrt hielt sie an der Hoffnung fest, daraus auch Thusneldas
Ziel zu formen.
Hermut nickte ernst. »Arminius spricht täglich von der schönen Thusnelda. Er hätte längst um ihre Hand angehalten, wenn sie
noch frei wäre.«
Dann berieten sie, wie den beiden zu helfen, wie ihre Liebe ans Licht zu holen war, wie man sie erstrahlen lassen konnte im
Glanz eines Lichtes, vor dem Fürst Aristan fliehen und Fürst Segestes kapitulieren würde.
»Meine Herrin ist sehr tugendhaft«, erklärte Inaja, »und eine gehorsame Tochter.« Dann aber stockte sie und ergänzte: »Allerdings
… nicht immer.«
|114| Dann erzählte sie Hermut, wie Thusnelda aufbegehrt hatte, als Arminius’ Onkel mit Fürst Segestes über die römische Herrschaft
sprach, über Varus, der mit harter Hand Germanien verwaltete, aber auch über Arminius, der den Mut gehabt hatte, den Kaiser
zu kritisieren. »Sie hat sich in das Gespräch eingemischt«, berichtete Inaja, »hat den Römern vorgeworfen, dass sie unseren
Bauern Steuern abpressen, und Varus, dass er mit den Steuern große Feste feiert. Klar und deutlich hat sie ihren Vater gefragt,
was an der römischen Herrschaft gut sein soll, wenn die Bauern unter ihr leiden, wenn die besiegten Völker geknechtet und
in die Sklaverei getrieben werden.«
Hermut sah Inaja ungläubig an. »Vor Fürst Ingomar hat sie so mit ihrem Vater gesprochen?«
Inaja nickte. »Ich hatte große Angst, dass er sie schwer bestrafen würde. Aber zum Glück geht Fürst Segestes mit seiner Tochter
meist gnädig um. Fürst Ingomar hätte sie nicht ungestraft so reden lassen, da bin ich sicher.«
»Und Fürst Aristan wird es auch nicht tun«, ergänzte Hermut. »Er ist ein mutiger und gerechter Mann, aber er kennt keine Gnade,
wenn ihm der Gehorsam verweigert wird.«
Inaja seufzte, und Hermut tastete nach ihrer Hand. »Wir könnten heiraten«, flüsterte er, als habe er Angst vor lauten Worten,
vor Inajas lautem Nein.
Sie schien plötzlich von einer ähnlichen Angst erfüllt zu sein. »Ich muss meiner Herrin folgen«, gab sie ebenso leise zurück.
»In Fürst Aristans Burg.«
Es blieb eine Weile still zwischen ihnen, nur das Gezwitscher der Vögel und das Rauschen der Blätter im Wind war zu hören,
gelegentlich der ferne Ruf eines Bauern, der seine Leibeigenen antrieb.
Dann sah Hermut hinauf in die spärlichen Baumkronen des niedrigen Hains. »Vielleicht kannst du ihr in die Teutoburg folgen?«
Wieder sprach er nur ganz leise, auch diesmal schien er Angst vor einem lauten Nein zu haben.
Aber Inaja schwieg. Ob Hermut sah, dass über ihr Gesicht ein |115| winziges Lächeln huschte? Inaja hatte einen Verbündeten gefunden auf dem Weg zu ihrem großen Ziel.
Thusnelda saß noch immer bewegungslos da. Sie spürte, dass Inaja sie ängstlich von der Seite betrachtete, aber sie wandte
den Kopf nicht, sie starrte weiter vor ihre Füße und fing dann wieder an, ihren Oberkörper zu wiegen, dabei dachte sie an
die Vergangenheit, die für sie nicht älter als wenige Wochen war. Als Inaja immer öfter vor die Tore der Eresburg gegangen
war und mit einem Mal Gefallen daran fand, wilde Brombeeren zu suchen und Blumen von den Wiesen ins Haus zu holen! Wenn Thusnelda
auf die Gefahren hinwies, die jeder Frau
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