Die Frau des Germanen
deren Leben er in der Arena verschwendete.
Der Kaiser antwortete gleichmütig: »Die meisten von ihnen werden schon als Kinder versklavt. Dann bringt man sie in die Gladiatorenschule,
dort werden sie ausgebildet. Wir haben eine |122| fantastische Gladiatorenschule.« Augustus lachte leise. »Ein kurzes, aber ein gutes Leben. In der Gladiatorenschule wird auf
gesunde und geregelte Lebensweise geachtet, auf reichhaltige Kost und viel Bewegung. Für das leibliche Wohlbefinden ist ausreichend
gesorgt worden, wenn die Kämpfer die Arena betreten. Die Gladiatoren sollen Kraft haben für den Kampf, damit er lange dauert
und wir alle viel davon haben. Am Vortag bekommen sie sogar einen Festschmaus, und das Volk kann sie bei der Mahlzeit besuchen
und mit ihnen reden.«
Arminius schwieg zu dem, was der Kaiser sagte. Severina sah, dass er die Augen zusammenkniff, als ein weiterer Besiegter den
Todesstoß erhielt. Und sie erstarrte, als Arminius den Kaiser fragte: »Ist dieses Spektakel nicht ein Hohn auf die römische
Kriegskunst?«
Severina atmete erleichtert auf, als der Kaiser ruhig zurückgab: »Das Volk schreit nach Brot und Zerstreuung.«
Germanicus mischte sich ein. »Auf welchen Gladiator wollen wir wetten?«
Arminius schüttelte den Kopf. »Ich will nicht auf das Leben eines Menschen wetten.«
Germanicus lachte höhnisch. »Ein zartbesaiteter Barbar! Wer hätte das gedacht!«
Ehe Arminius antworten konnte, fuhr Severina dazwischen: »Ein grober Römer! Ist das vielleicht besser?«
Ihr Bruder sah sie verblüfft an. Aber als Arminius sich zu ihr umwandte und sie zum ersten Mal mit Interesse betrachtete,
verstand er, was sie wollte. Endlich war es ihr gelungen, Arminius’ Aufmerksamkeit zu erregen. Er schien sich zu freuen, dass
sie sich auf seine Seite stellte, und schenkte ihr ein Lächeln, das sie nie wieder vergaß. Zum Glück verzichtete Germanicus
darauf, Arminius zu verraten, dass seine Schwester mit ihren Wetten auf die Gladiatoren häufig Erfolg hatte. Heute war Severina
sicher: Wenn Germanicus gewusst hätte, was dieses Lächeln in Severina anrichtete, hätte er Arminius genau erzählt, wie gerne
seine Schwester den Spielen beiwohnte und wie häufig sie schon |123| dem Kaiser, wenn er zauderte, geraten hatte, den Daumen nach unten zu drehen.
Das Amphitheater war schon eine Weile voll besetzt, sogar sämtliche Stehplätze waren vergeben, als vier kräftige germanische
Sklaven den Kaiser in seiner Sänfte über den Kampfplatz trugen. Vier Fanfarenbläser gingen ihm voran, und Augustus winkte
huldvoll in die Menge, die ihm begeistert zujubelte.
Als er in seiner Loge angekommen war, halfen ihm die vier Sklaven auf seinen mit roten Samtpolstern bezogenen Sitz. Dann erst
wurden sämtliche Gladiatoren in die Arena geführt, die an diesem Tag ihr Leben einsetzen mussten, um die Zuschauer zu erfreuen.
Sie zogen unter den Klängen der Fanfaren einmal rund um die Arena, um sich dann wieder in die Katakomben zurückzuziehen und
dort auf ihren Kampf zu warten. Es waren die mit Wurfnetz und Dreizack ausgerüsteten Retiarier und ihre Gegner, die Sevutoren
mit ihren enganliegenden, glatten Helmen, die verhindern sollten, dass sich das Wurfnetz allzu schnell verfing. Weitere Kämpfer
folgten, aber Severina wurde erst wieder aufmerksam, als die Andabates an der kaiserlichen Loge vorbeigeführt wurden. Sie
trugen ihre völlig geschlossenen Helme noch unter den Armen und starrten aus weit aufgerissenen Augen um sich, weil sie damit
rechnen mussten, dass dies das Letzte war, was sie in ihrem Leben zu sehen bekamen. Wenn ihr Kampf begann, würden sie ihre
Helme aufsetzen und damit nur noch auf ihr Gehör, ihr Gespür und die Reaktionen des Publikums angewiesen sein.
Unter der kaiserlichen Loge blieben sie stehen und riefen: »Ave Caesar!«
Das Volk jubelte, der Kaiser lächelte zufrieden, und Germanicus stieß seine Schwester in die Seite. »Was ist los mit dir?
Augustus hat dich schon zweimal angesehen.«
Severina schüttelte seinen Arm ab und antwortete nicht. Aber sie riss sich zusammen. Ja, sie durfte niemanden merken lassen,
wie es in ihr aussah. Ein kleines Lächeln rang sie sich ab, ihr Bruder schien jedoch noch nicht zufrieden zu sein. »Du solltest |124| Gaviana zurückholen«, knurrte er. »Wenn sie dich schminkte, sahst du gut aus. Selbst dann, wenn du schlechte Laune hattest.«
Nun war Severina ehrlich erschrocken. Wenn sie auf eins bisher hatte vertrauen
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