Die Frau des Germanen
Wald.
Kaum waren sie im Schutz der Bäume angekommen, drosselte Arminius das Tempo, und Thusnelda wagte es, einen Blick zurückzuwerfen.
Sie hatte erwartet, dass Klef ihnen folgte, aber der Trick mit dem Umhang schien gewirkt zu haben. Sie sah, dass der Junge
sein Pferd zurückhielt. Er nahm die Zügel kurz, saß aufrecht da und blickte um sich. Anscheinend überlegte er, |140| dass er nur einer Frau folgen konnte. Und welche der beiden die Tochter seines Fürsten war, schien ihm nun einzufallen. Jeder
kannte ja den Umhang, den Thusnelda fast täglich trug.
Klef trieb sein Pferd erneut an und preschte weiter, Inaja und Hermut hinterher, deren Vorsprung sich ein wenig vergrößert
hatte. Aber wenn Klef so weiterritt, würden sie keine Chance haben, die Teutoburg vor ihm zu erreichen. Er würde sie aufhalten
können, bis die fünf Reiter, die sich nun von der Eresburg lösten, dazukamen.
»Was werden sie tun, wenn sie merken, dass ich nicht unter dem Umhang stecke?«
»Keine Sorge, Inaja und Hermut wird nichts geschehen.« Arminius hob Thusnelda vom Pferd, dann führte er die beiden Tiere an
ein dichtes Unterholz heran. »Wir verstecken uns, bis alles vorbei ist.«
»Wann wird alles vorbei sein?«
»Spätestens dann, wenn Fürst Aristan eingetroffen ist.« Arminius drängte sich mitsamt den Pferden durchs Unterholz, obwohl
die Tiere sich sträubten und auch Thusnelda Angst hatte, ihm zu folgen. »Dann müssen die Leute deines Vaters zurück und Bericht
erstatten.«
Plötzlich tat sich eine kleine Lichtung vor ihnen auf, ein moosbedeckter Kreis, von dichten Laubbäumen beschützt.
»Hier werden wir warten!« Arminius band die Pferde fest, dann nahm er seinen Umhang ab und breitete ihn auf dem Waldboden
aus.
Bis zu diesem Augenblick war Inaja nicht klar gewesen, worauf sie sich eingelassen hatte. Nun begriff sie es. Das riskante
Spiel, das sie selbst inszeniert hatte, mit dem sie das Tor zum Paradies aufstoßen wollte, schien sie zur Verliererin zu machen.
Sie hatte nicht damit gerechnet, dass die Verfolgung so früh einsetzen würde, und darauf vertraut, dass die Männer, die auf
der Eresburg zurückgeblieben waren, die Abwesenheit ihres Herrn für Würfelspiele nutzten und nicht besonders wachsam sein
würden. Und |141| da sie nicht zu den Jungen, Tollkühnen, zu allem Entschlossenen gehörten, hatte Inaja geglaubt, dass von ihnen keine wirkliche
Gefahr ausgehen würde. Schließlich befanden sich die besten Männer und die schnellsten Pferde im Gefolge Fürst Segestes’.
Was sich jedoch unter den Augen der zurückgelassenen Burgwächter abgespielt hatte, war derart ungeheuerlich, dass auf der
Eresburg alles in Aufruhr geraten war, was Beine hatte. Alte Wächter und kranke junge Burschen und Kinder, schwache Pferde
und alte Gäule. Inaja klammerte sich an den Hals ihres Reitpferdes, war aber unfähig, es anzutreiben. Sie hoffte nur, nicht
abgeworfen zu werden und die Teutoburg unversehrt zu erreichen.
Aber etwa fünfzig Pferdelängen vor dem Eingangstor wurden sie von einem jungen Kerl, fast noch ein Kind, überholt und zum
Anhalten gezwungen. »Stopp! Ich verlange die Herausgabe der Braut! Die Tochter meines Herrn gehört auf die Eresburg.«
Hermut sah Klef ruhig an, dann schob er seinen Umhang in den Nacken, der zuvor noch seinen Kopf bedeckt hatte. »Du kennst
den Vater dieser jungen Frau?« fragte er ernst. »Soviel ich weiß, ist er längst tot.«
Auch Inaja nahm nun den Umhang vom Kopf und versuchte, erstaunt auszusehen. »Was willst du, Klef? Hast du mich etwa mit meiner
Herrin verwechselt?«
Nun waren auch die anderen fünf Reiter herangekommen und verlangten wütend die Herausgabe der Fürstentochter, noch ehe sie
erkannt hatten, wem sie gefolgt waren.
»Meine Herrin hat mir ihren Umhang geschenkt«, erklärte Inaja. »Zum Abschied! Ich konnte ja nicht ahnen, zu welchem Irrtum
das führt.«
Die Männer glaubten ihr kein Wort. Wütend bedrängten sie Inaja und forderten von ihr, sie zu ihrer Herrin zu bringen. »Sie
ist entführt worden! Geraubt! Hast du da etwa deine Finger im Spiel gehabt?«
Nun sprang einer von ihnen sogar ab und versuchte Inaja vom Pferd zu ziehen.
|142| Aber Hermut war schneller. Schon während er absaß, zog er sein Schwert. »Lass deine Hände von meiner Braut«, wetterte er.
Der Mann sah ihn ungläubig an. »Deine Braut?« Er wollte lachen, aber Hermuts wütender Blick warnte ihn.
Niemand wurde darauf aufmerksam, dass
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