Die Frau des Germanen
wie verärgert Tiberius
über die Brukterer war.
»Ja, und nun haben sie sich angewöhnt zurückzustechen«, |176| fuhr Argast auf. »Ich will nicht behaupten, dass die Taktik meines Stammes klug ist. Aber Ihr wollt sicher auch nicht behaupten,
dass es richtig ist, sich dafür an Unschuldigen zu rächen!«
Als die brukterischen Krieger wieder einmal losgezogen waren, um den Römern ihre Herrschaft heimzuzahlen und einen Tross zu
überfallen, den sie in der Nähe wussten, hatte es in ihrer Planung einen Fehler gegeben. Kaum hatten die Männer, darunter
auch Wietes Gemahl, das Dorf gen Westen verlassen, war es von Osten her von römischen Kohorten gestürmt worden. Unter den
Brukterern war nicht bekannt gewesen, dass mittlerweile berittene Spähtrupps durchs Land zogen, um abgelegene Bruktererdörfer
aufzuspüren, an denen Exempel statuiert werden sollten. Sie hatten den Abmarsch der kampfbereiten Männer beobachtet und fielen
kurz darauf in das Dorf ein. Frauen, Greise und Kinder wurden niedergemetzelt, nur wenige konnten entkommen, wie Wiete mit
Argast und Jorit. Und von diesen wenigen gab es nur einige, die wussten, wo sie Obdach finden konnten. So wie Wiete, die ins
Elternhaus zurückgekehrt war. Argast und Jorit dagegen wussten nicht, was aus ihnen werden sollte, und nahmen dankbar das
Angebot an, so lange in der Teutoburg zu bleiben, bis sie über ihre Zukunft entscheiden konnten.
»Das ganze Dorf ist abgebrannt«, erzählte Jorit. »Die meisten sind tot. Die paar, die die Römer am Leben ließen, haben sie
auf ihre Pferde gebunden und mitgenommen. Sie werden wohl auf dem Sklavenmarkt enden.«
Thordis schlug die Hände vors Gesicht, auch die Mägde wischten sich Tränen aus den Augen. Thusnelda und Inaja saßen da wie
erstarrt, unfähig zu weinen, während die Männer aussahen, als wollten sie am liebsten sofort losziehen, um Vergeltung zu üben.
Wiete selbst war die Einzige, die regungslos blieb. Schmerz und Angst hatten sie unfähig gemacht, etwas zu empfinden. Zu heftig
war das Grauen gewesen, zu gewaltig. Sie hatte sich dagegen geschützt, indem sie versteinerte. Nun saß sie da, an ihre Mutter
gelehnt, und starrte ins Feuer. Bewegungslos! |177| Ohne eine einzige Träne. Und ohne die Frage, wo man das Kind hingebracht hatte.
Thusnelda spürte plötzlich Arminius’ Hand in ihrer. Sie wusste, was er empfand, worunter er litt. Er war noch immer römischer
Offizier, er war immer noch ein Teil derer, die solche Gräueltaten verübten. Und sie konnte an seinem Gesicht ablesen, in
welchem Konflikt er steckte. Einerseits wollte er nichts mit Kriegern zu tun haben, die sich an Schwachen vergriffen, andererseits
schien er sich zu fragen, ob es nicht seine Pflicht war, so etwas in Zukunft zu verhindern. Und das konnte er nur als Teil
der römischen Legionen, als einer von denen, die seiner Schwester alles genommen hatten.
Der Türsteher hatte den Gast bereits ins Haus gelassen, weil er ihn kannte. Nun suchte Terentilla verzweifelt nach Worten,
um ihn zum Gehen zu bewegen, ohne unhöflich zu sein. Was blieb ihr anderes übrig? Severina hatte erst gerade jeden Besuch
verboten und die Unterhaltung eines Zwerges oder eines Gauklers gewünscht. Da jedoch beides nicht in Severinas Haushalt lebte,
konnte es eine Weile dauern, bis der Besitzer der Theatergruppe einen Zwerg und einen Gaukler gebracht hatte. Terentilla wurde
prompt unsicher, als der Gast sich nicht wegschicken ließ. Konnte sie wissen, was geschehen würde, während ihre Herrin auf
den Zwerg und den Gaukler wartete? Ob sie währenddessen nicht die Unterhaltung eines Offiziers zu schätzen wusste? Und ob
sie später noch Gefallen an den Späßen des Gauklers und der Missgestalt eines Kleinwüchsigen finden würde, war sowieso unklar.
»Melde mich bei deiner Herrin an!«, forderte Flavus.
Terentilla rang die Hände. Ausgerechnet dieser Blonde? Nach seinem letzten Besuch war Severina völlig aufgelöst gewesen und
hatte die Küchensklaven zur Verzweiflung gebracht, weil ihr kein Essen schmeckte und sie ständig nach neuen Delikatessen verlangte,
die ihr dann doch nicht zusagten.
Ehe Terentilla eine Lösung für dieses schwierige Problem gefunden hatte, ging Flavus schon an ihr vorbei auf den Eingang |178| des Wohnzimmers zu, hinter dem Severina ruhte. Obwohl er sonst nie höchstpersönlich die Tür öffnete, schien es ihm diesmal
darauf anzukommen, keine Zeit zu verlieren.
»Ich muss deine Herrin
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