Die Frau des Germanen
Eure Hilfe auskomme.«
»Es geht mir nicht nur darum, Euch zu helfen, das wisst Ihr doch. Trotzdem solltet Ihr Euch überlegen, ob Ihr meine Hilfe
nicht brauchen könnt. Mein Bruder wird nicht wieder nach Rom zurückkehren. Es könnte sogar sein, dass er schon bald in Rom
nicht mehr willkommen sein wird. Wollt Ihr wirklich das Kind eines Römerfeindes zur Welt bringen?«
»Arminius ist kein Römerfeind. Er dient Varus in Germanien! Im Auftrag des Kaisers!«
»Man wird sehen.« Flavus veränderte seine Haltung nicht. Sie blieb flehentlich, aber dennoch selbstsicher. Die Hand, die den
Ring hielt, wich nicht zurück. »Ihr habt nach meinem letzten Besuch die Hoffnung nicht aufgegeben, dass Arminius es sich anders
überlegt.« Er ließ Severina keine Zeit zu antworten, aber er lächelte, während er fortfuhr, so siegessicher, als wäre ihm
die Antwort längst bekannt. »Ihr solltet Euch keine Hoffnungen mehr machen. Mein Bruder wird in Kürze heiraten. Eine germanische
Fürstentochter.«
Severinas Kräfte waren schlagartig erschöpft. Mit einem Mal war sie für Hochmut, Ablehnung und Zorn zu schwach. Zu schwach
sogar für Zweifel! Die Entgegnung ›Das kann nicht sein!‹ stand zwar in ihren Augen, aber sie war unfähig, sie auszusprechen.
|181| Flavus sah aus, als wollte er ihre Ohnmacht ausnutzen, um ihr den Ring an den Finger zu stecken, aber er schien zu ahnen,
dass ihre Schwäche nichts mit Frieden zu tun hatte. Also erhob er sich, setzte sich wieder, hielt aber den Ring immer noch
zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ich erwarte nicht, dass Ihr mich so liebt, wie ich Euch liebe«, sagte er leise. »Dennoch
wäre ich glücklich …«
Er brach ab, weil Terentilla den Raum betrat und ihrer Herrin die Mitteilung machte, dass der Besitzer der Theatergruppe eingetroffen
sei, der einen Gaukler und einen Zwerg bei sich führte.
Severina reagierte nicht darauf, aber Terentilla war schon zufrieden, dass sie mit der Störung einverstanden zu sein schien.
Jedenfalls wehrte sie ihre Sklavin nicht ab und hielt den Gast nicht zurück, als er sich erhob und sich verabschiedete.
»Die Hochzeit wird bald stattfinden«, sagte Flavus, ehe er ging. »Ein Kurier, der von Varus nach Rom geschickt wurde, hat
es mir erzählt. Es ist sogar eine Liebesheirat. Mein Bruder hat seine Braut aus den Händen ihres Vaters geraubt.«
Nun schien endlich wieder der Zorn in Severina heranzuwachsen, der viel besser zu ihr passte als ihre Schwäche. Sie richtete
sich auf und sah Flavus scharf an. »Kennt Ihr die Frau?«
Flavus lächelte. »Sie ist mir und meinem Bruder von klein auf vertraut. Eine sehr schöne Frau. Anders als ihr! Blond und von
großer Statur …«
»Das interessiert mich nicht«, fuhr Severina dazwischen. »Lasst mich jetzt allein. Ihr habt ja gehört …«
»Ja, der Gaukler und der Zwerg.« Nun wurde Flavus’ Lächeln sogar anzüglich. Mit großer Geste legte er den Ring auf den Tisch.
»Ihr gestattet, dass ich später noch einmal meine Aufwartung mache, um Eure Antwort einzuholen?«
Severina entgegnete nichts darauf, aber sie ließ zu, dass er den Ring nicht wieder mitnahm. Dass sie ihn wütend auf den Fußboden
warf, kaum dass sie allein war, bekam Flavus nicht mehr mit. Auch nicht, dass der Gaukler und der Zwerg schon bald wieder
aus dem Haus gejagt wurden, weil sie angeblich nichts |182| taugten und die schlechte Laune der schönen Severina nur noch verstärkt hatten.
»Kaiser Augustus wollte, dass der Rhein die Grenze zwischen Germanien und dem römischen Reich ist. Aber dann war ihm die Sache
nicht sicher genug. Deshalb wollte er Germanien erobern, weil er auf diese Weise die Grenze bis an die Elbe vorverlegen konnte.«
Thusnelda und Arminius wanderten am Fuß der Teutoburg entlang, fassten sich manchmal, wenn sie sich unbeobachtet fühlten,
an den Händen, rückten aber gleich wieder voneinander ab, wenn eine Wache über die Burgmauer sah, die sich um ihre Sicherheit
sorgte.
Thordis hatte die beiden immer wieder beschworen, in der Burg zu bleiben. »Wer weiß, was Fürst Segestes sich ausdenkt, um
seine Tochter zurückzuholen.«
Aber Arminius glaubte nicht daran, dass von Segestes Gefahr ausging. Und Thusnelda wollte nichts davon hören, dass sie sich
vor ihrem Vater fürchten müsse. Sie fühlte sich sicher unter Arminius’ Schutz und in der Geborgenheit seiner Familie. Außerdem
war sie fest davon überzeugt, dass ihr Vater nachgeben würde. Er würde sie
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