Die Frau des Polizisten
hatte sie so heftig umarmt, dass Erika sie vor Schmerzen von sich schieben musste. Erika hatte Annas und Kristers Einladungen zum Abendessen bisher ausgeschlagen, hatte ihnen ehrlich gesagt, dass sie sich erst mal bedeckt halten wolle, dass man Göran noch nicht gefunden habe, er noch irgendwo dort draußen wäre.
Das feuchtkühle Wetter erschwerte ihr das Atmen. Keuchend trat sie rasch durch die Haustür in der Arsenalsgatan. Sie schloss Pers Wohnungstür auf, verharrte wachsam und lauschte einen Moment, ob fremde Geräusche zu hören waren,bevor sie das Licht einschaltete und ablegte. Schnell machte sie das Licht wieder aus und schlüpfte in die Küche, knipste die Taschenlampe an, nahm die Reste von gestern aus dem Kühlschrank und stellte sie in die Mikrowelle.
Während das Gerät brummte, schaute sie über die Stadt nach Westen. Sah die Rauchschwaden des Heizkraftwerks und die Lichter, die wie eine Schlange die Fahrbahn entlangkrochen, das schwach glitzernde Wasser auf dem Fluss und den neuen Stadtteil auf der anderen Seite, wo sich die erleuchteten Fenster der Häuser von Ferne wie ein Schwarm Glühwürmchen ausnahmen. Es fiel ihr leichter zu atmen, zur Ruhe zu kommen. Sie konnte nachvollziehen, weshalb Menschen, die es sich leisten konnten und entsprechende Träume hegten, viel Geld für einen schönen, weitläufigen Ausblick bezahlten. Das Gefühl, das einem dies schenkte, war unbezahlbar.
Die Mikrowelle klingelte, und Erika wurde aus ihren Gedanken gerissen. Sie aß, ohne richtig zu schmecken, was sie da in sich hineinstopfte. Bengt war zu Recht entsetzlich wütend darüber gewesen, welches Risiko sie eingegangen war. Er hatte ihr mächtig Vorhaltungen gemacht und war zugleich schrecklich besorgt um sie gewesen. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Nachdem sie das Geschirr weggeräumt hatte, knipste sie die Taschenlampe aus und ging leise ins Wohnzimmer. Sie stellte sich einen Moment vor das Südfenster und sah aus zusammengekniffenen Augen zur Linnéstaden und zu Skansens Krona hoch. In der Wohnung war es stockfinster. Sie wollte nicht durchs Fenster oder die Scheibe der Wohnungstür gesehen werden.
In den Tagen, in denen sie nun hier wohnte, hatte sie es sich allmählich heimisch gemacht, hatte neugierig und peinlich berührt den Inhalt der Bücherregale unter die Lupe genommenund die Schubladen in der Küche und den Schränken geöffnet. Nichts, auf das sie gestoßen war, war so, wie sie es erwartet hätte. Alles in Pers Wohnung deutete darauf hin, dass er die Gegenstände, mit denen er sich umgab, sorgfältig auswählte, und viele der Küchenutensilien, die sie in den Schubladen gefunden hatte, waren ihr ein Rätsel.
Seine Playlisten setzten sich aus klassischer Musik, aber vor allem aus Rock, Blues und jeder Menge Metal zusammen. Sogar einiges an Hardcore und Death Metal war darunter gewesen. Sie hatte sich die Musik angehört und zu ihrer eigenen Überraschung festgestellt, dass sie ihr gefiel. Und sie hatte Stunden damit verbracht, sich Apocalyptica anzuhören, die finnischen Cellisten, die einen wahnsinnigen und großartigen Klassik-Rock in Perfektion hinlegten. Seine DVD-Sammlung brachte sie ins Schwärmen. Fast jeder ihrer Lieblingsfilme und Lieblingsregisseure war sorgfältig sortiert in seiner Sammlung vorhanden. Haufenweise interessante Bücher füllten die Regale und umfassten alles – vom Klassiker über Fachbücher der Kriminologie und Psychologie bis hin zu zahlreichen Kochbüchern. Und eine ganze Sammlung Krimis, vor allem englische und amerikanische.
Neben Pers Bett lag ein Stapel Kochbücher. Sie hatte sie durchgeblättert, als sie im Bett lag, hatte die schönen, verlockenden Fotos angeschaut, Rezepte intensiv gelesen, dass sie meinte, die Gerichte beinahe schmecken zu können. Ob er sie wohl schon selbst ausprobiert hatte? Sie errötete vor sich selbst, da sie auf diesem Gebiet so unwissend war. Das Telefon klingelte und riss sie aus ihren Gedanken. Es war Mia.
»Hallo, Schwesterchen! Ich hab gehört, dass du diesen Scheißkerl reingelegt hast. Kompliment! Ich muss schon sagen, ich bin beeindruckt, aber … du bist ja völlig verrückt!«
Erika lächelte. Sie hörte das Kichern und die Erleichterungin der Stimme ihrer Schwester, obwohl sie es hinter barschen und zurechtweisenden Worten zu verbergen versuchte.
»Danke«, schmunzelte Erika. Natürlich war sie froh, aber sie wusste wohl, dass sie einen Krieg angezettelt hatte und dass er noch nicht vorbei war. Sie
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