Die Frau des Polizisten
wie benommen vor Müdigkeit. Dann war er hineingegangen, um auf die Toilette zu gehen, Wasser zu trinken und sich etwas Süßes zu kaufen. Am Tresen standen zwei verschwitzte Männer vom Abschleppdienst und schlangen gierig Würstchen mit Kartoffelbrei in sich hinein. Sie unterhielten sich über das Chaos,die zahlreichen Unfälle, wie man die Lkws von der Straße kriegen sollte und den Räumdienst, der bis auf den letzten Mann im Einsatz war.
»Dass die Leute nicht aufs Wetter achten können, verflucht …«, knurrte einer und nickte Per selbstbewusst zu, der zurücknickte, ohne die Worte zu kommentieren.
Als Per den Motor seines alten BMW wieder anließ, bekam er das Auto fast nicht vom Parkplatz – und dass, obwohl er völlig eben war. Langsam brachte er das Auto dazu, zur Kreuzung vorwärts zu kriechen und nach rechts, in Richtung Östersund, abzubiegen. Aus dem Augenwinkel sah er Svegs Kirche. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er sich und Tomas mit einem weißen Sarg und Blumenschmuck zum Altar gehen.
Morgens um vier Uhr erreichte er Östersund, stolperte auf tauben Beinen ins Krankenhaus, bekam von einer freundlichen Dame am Empfang eine Passierkarte – sie beschrieb ihm im melodischen Singsang, wie er das richtige Stockwerk und die Station finden würde. Er nahm die Treppen, ging suchend den Flur entlang und fand eine Krankenschwester, die ihn netterweise zum Zimmer seiner Mutter brachte.
Tomas’ Silhouette zeichnete sich im kalten Mondlicht gegen das Fenster und den Frösöberget ab. Er drehte sich um, als Per hereinkam, ging zu einem der Betten, nahm auf der Fensterseite Platz, deutete auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Bettes. Per setzte sich ins Dunkle, nahm einen Moment die kalte Hand seiner Mutter in seine, tätschelte ihr vorsichtig die Wange und lauschte ihren angestrengten Atemzügen.
Elin Henriksson wurde wach, als sich der Himmel tieflila zu färben begann, von einer Sonne, die es kaum schaffte, sich über den Waldrand im Osten zu erheben. Der Mond hingnoch immer wie ein großer kalter Ball über dem Frösöberget. Per ergriff ihre Hand, sie war dünn und knöchrig, die Finger kälter als die Handfläche. Sie lächelte ihn müde an.
»Du bist ja doch gekommen …«, seufzte sie. »Ich hätte schon früher etwas sagen sollen … Aber du hast ja immer so viel um die Ohren.«
Per schluckte. Was, verdammt noch mal, war denn wichtiger als das hier? Ein hellwacher Ausdruck trat flüchtig in ihre Augen. Sie griff nach Tomas’ Hand, er kam näher und streichelte ihre Wange. Elin seufzte rau.
»Es tut mir alles so leid, Jungs, dass alles so gekommen ist, wie es kam. Dass ich nicht … dass ich nicht mit euch weggegangen bin. Aber … ich hab’s nicht geschafft. Hab es nicht gewagt.«
Per spürte, wie sich Protest in ihm regte, schwieg aber, als er Tomas’ mildes Gesicht sah, die Liebe und die Akzeptanz darin, zu der er selbst noch nicht gefunden hatte.
»Du hast dein Bestes getan, Mama«, sagte Per mit ruhigem Nachdruck. Er hauchte einen Kuss auf die Wange seiner Mutter. Sie lächelten sich an. Dann schloss sie die Augen und wimmerte leise.
»Sie hat wieder Schmerzen«, stellte Tomas fest und drückte auf einen Knopf, um die Schwester zu rufen. Eine Krankenschwester kam und gab Elin eine neue Dosis Morphium. Als der Himmel hellblau geworden war und der Mond nur noch einer dünnen verblichenen Papierscheibe neben dem Åreskutan glich, hörte Elin auf zu atmen.
Kapitel 58
Erika lief an der Trädgårdsföreningen vorbei. Die Kapuze hatte sie über den Kopf gezogen, ihre Schritte waren gleichmäßig und im Takt, nicht zu schnell, nicht zu langsam. Sie sah die ganze Zeit nach vorn, hielt aber konzentriert nach allem Ausschau, was sich am Rand ihres Blickfelds bewegte. Seit dem Abend im Sommerhaus hatte Göran keinen Mucks mehr von sich gegeben. Ihre Kollegen hatten nach ihm gesucht, aber nicht eine Spur von ihm gefunden.
Eskos Haus stand einsam und verlassen da, war versiegelt, das Türloch gegen die Unbilden des Wetters vernagelt. Der Mitschnitt von Görans prahlerischem Gehabe wurde analysiert und hatte ein neues Licht auf die Geschehnisse geworfen. In der Sache der missglückten Drogenrazzia wurde erneut ermittelt. Und Inger hatte ihre Anzeige gegen Erika zurückgezogen.
In den letzten Tagen hatte Erika das Gefühl, auf den Fluren wieder atmen zu können. Als ob jemand kräftig gelüftet hatte und die drückende Ungewissheit gewichen war. Anna war in ihr Büro gestürmt und
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