Die Frau des Polizisten
dazu ein schlappes Baguette, das mit irgendeiner Art Geflügelsalat gefüllt war.
Eine Gruppe Männer zwischen zwanzig und dreißig kam lärmend in die Statoil-Tankstelle und kaufte Würstchen mit Beilage. Ihr nächstes Ziel schien die Kneipe schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite zu sein, wo etwas später eine Tanzband spielen sollte. Einige der Männer waren bereits merklich betrunken. Immer mehr Autos hielten auf dem Parkplatz vor der Tankstelle. Fords und Volvos in verschiedenen Stadien des Verfalls oder so auf Hochglanz poliert, dass man sich in ihrem Lack spiegeln konnte, die aber auch aufgemotzt waren und durch ihre schweren Zusatzausrüstungen tiefer auf der Straße lagen. Und Jeeps mit Vierradantrieb und Überrollschutz, Winden und Extrascheinwerfern, für die wilde, verbotene Jagd in der freien Natur. Die Atmosphäre war eher aggressiv als ausgelassen.
Per ging auf die Toilette. Als er zurückkam, war die Tankstelle wieder leer. Es war deutlich kälter geworden. Alles war dunkel und schwarz. Per sah auf die Uhr – schon nach neun.
Er zog die Jacke fester um sich, kroch in das Auto, das immer noch warm war, und ließ es wieder hinunter zur 45 rollen. Der Verkäufer hinter dem Tresen der Tankstelle hatteetwas von Unwetter gesagt, aber Per hatte es ignoriert. Er wollte einfach nur losfahren und ankommen. Bislang waren die Straßen trocken und schneefrei gewesen. Ein dunkler Himmel und leichte Wolken wölbten sich über den Wäldern, und ein großer Vollmond begleitete ihn und erhellte die Straße mit seinem unwirklichen Schein.
Auf dem Weg nach Orsa kamen ihm unentwegt Autos entgegen. Alle Menschen in der Gegend schienen an diesem Abend dasselbe Ziel zu haben. Die Fenster der Häuser leuchteten warm und heimelig, und das Wasser lag schimmernd und glitzernd wie eine große ungeputzte Münze im Mondlicht in der Siljanvertiefung.
Irgendwo auf den Steigungen zur Finnmark oberhalb von Orsa traf ihn die Unwetterfront, von der der Mann an der Tanke gesprochen hatte.
Plötzlich war der Mond nicht mehr zu sehen, und sintflutartige Regenfälle ergossen sich vom Himmel auf die Straße. Der Regen prasselte gegen das Autoblech, und die Sicht schwand auf wenige Meter. Gleich hinter dem Bahnübergang nach Amådalens ravin ging der Regen in Schneeregen über. Eine weißwirbelnde Wand zwang ihn, das Fernlicht auszuschalten. Alles, was er noch erkennen konnte, war die dunkle feuchte Spur eines Fahrzeugs, das vor ihm die Strecke auf der immer weißer werdenden Straße gefahren war. Nach einem Moment sah er ein paar rote Rücklichter im Schneegestöber und hängte sich dran.
Er konzentrierte sich darauf, eine gleichbleibende Geschwindigkeit zu fahren, während seine Augen an den roten Lichtern klebten, und ließ die Reflexe der Wegmarkierungen am Straßenrand keinen Moment aus den Augen. Nur ja keine hastigen Bewegungen machen, Bremse und Kupplung nicht anrühren. Kurz bevor die Straße wieder hinunter nachSveg abfiel, stauten sich die Autos, lagen auf den Standspuren, an den Straßenrändern und bildeten lange Schlangen. Der schlüpfrige Schneematsch lag mittlerweile mehrere Zentimeter hoch und war auf dem Asphalt zu einer harten Eiskruste gefroren. Das Blaulicht zweier Polizeiwagen und eines einsamen Bergungsfahrzeugs blitzte über die Bäume des Waldes, der wie eine Wand neben der Straße aufragte. Die Schwertransporter standen auf dem langen Ende, das die Steigung hochführte, im Stau, und die Lkw-Fahrer lehnten mit grimmigen Gesichtern an ihren Fahrzeugen und rauchten und beobachteten das dichte Schneetreiben. Glatter als dieser dicke Schneematsch, durch den er auf seinen abgefahrenen Sommerreifen rollte, war nur das spiegelglatte Eis des Flusses gewesen, auf dem er und seine Freunde mit einem geliehenen alten Saab gefahren waren. Es war spät im Winter gewesen, vielleicht März oder April, und zwischen den Schneeverwehungen auf dem Eis hatte zentimeterhoch das Wasser gestanden. Jede Bewegung, jedes Manöver, hatte das Auto für mehrere Umdrehungen ins Schleudern gebracht. Sie hatten die Orientierung verloren und sich totgelacht, als der Saab die Schneewehen gerammt hatte.
Aber im Augenblick fand Per nichts, worüber er lachen konnte. Sein Körper war angespannt, und sein Blick ließ die Straße vor ihm nicht los. Irgendwie hatte er Sveg erreicht und war langsam über die vereiste Brücke zur Tankstelle gefahren. Dort war er mit weichen Knien ausgestiegen und wäre beinahe direkt auf dem Eis ausgerutscht,
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