Die Frau des Polizisten
erzählte, dass Göran in ihr gemietetes Sommerhaus eingebrochen war, sie ihn erwartet hatte und seine angeberische Selbstbeweihräucherung mitgeschnitten hatte. Details behielt sie für sich. Mia war intelligent genug, um zu wissen, welchen Preis Erika für das Geständnis hatte bezahlen müssen.
»Sie suchen jetzt nach Göran … er ist schon seit über einem Monat nicht mehr bei der Arbeit erschienen. Aber ich werde bald Boss zurückbekommen. Die Kollegen waren bei uns zu Hause; er hatte ihn dort allein zurückgelassen …«
»Du liebe Zeit! Ist er o.k.?«
»Ja. Er war hungrig und ein bisschen ausgetrocknet, ansonsten aber in Ordnung. Es war ihm gelungen, die Tür zum Vorratsschrank aufzubekommen und ein Loch in den Trockenfuttersack zu beißen. Etwas Flüssigkeit hat er in der Badewanne gefunden, dort war Wäsche eingeweicht.«
Ein Stich durchfuhr Erika, als sie das erzählte. Sie sehnte sich nach dem schwanzwedelnden schmusigen Wesen mit den flehenden Pfefferkornaugen.
»Sie haben Göran bislang also nicht gefunden?« Mia ließ nicht so leicht locker.
»Nein, er ist wohl untergetaucht …« Erika schluckte mühsam. Solange er noch frei herumlief, konnte sie sich nicht einmal annähernd entspannen.
»Du wirst also nicht wieder zurück nach Stockholm ziehen?«
»Nein, ich bleibe hier. Wenn ich jemals wieder umziehe, dann in unsere alte Heimat«, lachte Erika leise.
»Na klar!«, schnaubte ihre Schwester.
»Nein, wirklich, manchmal sehne ich mich nach zu Hause zurück. Ich kann nicht begreifen, dass mir früher nie bewusst war, wie schön es dort ist. Man wollte damals ja nur schnellstmöglich weg, als sei es irgendein fucking Åmål.«
»Sooo verwunderlich ist das ja auch nicht. Es war ja ständig so dunkel dort, dass du es nie richtig gesehen hast«, kicherte Mia vergnügt. Sie vereinbarten, dass Erika demnächst nach Norden kommen und sich die neue Tierklinik im Stadtteil Norr und den neuerstandenen Bauernhof ihres Bruders ansehen sollte, und beendeten das Gespräch.
Erika trat wieder an Pers Bücherregal und schaltete die Stehlampe an, um besser sehen zu können. Federleicht fuhr sie über die Buchrücken und legte den Kopf schief, um die Titel zu lesen. Sie zog eines aus dem Regal und blätterte darin. Tai-Chi, Zenbuddhismus, Karate verschiedener Stilrichtungen, Aikido und natürlich Kendo. Sie setzte sich in den Corbusierstuhl und schaute es sich genauer an.
Das Buch über Kendo beschrieb den uralten Kampfsport, der mit Schwertern ausgetragen wurde. Detaillierte Beschreibungen der Ausrüstung, wie man seinen Anzug und den Gürtel band und wie man die Ausrüstung pflegte. Details zu den weichen, biegsamen und doch erstaunlich harten Trainingsschwertern aus Bambus. Wie man das Kopftuch faltete, das die Schläge gegen den Kopf unter dem Helm dämpfte. Die Fotos waren sehr ästhetisch.
Erika nahm das Buch mit in Pers Schlafzimmer und strich mit Ehrfurcht über die Ausrüstung an der Wand. Sie lehnte sich vor, steckte die Nase hinein und nahm einen schwachen Körper- und Schweißgeruch wahr, der in dem dicken Gewebe hing. Die Montur war zum Trocknen aufgehängt, genauso wie es im Buch beschrieben war.
Sie schlenderte zurück zum Bücherregal, stellte das Buch hinein und nahm ihre Suche wieder auf. Ein paar andere Bände erregten ihre Aufmerksamkeit, mit zerfledderten Buchrücken und Buchtiteln, die ihre Neugierde weckten und sie in Erstaunen versetzten. Hojo Jutsu? Sie vertiefte sich in die Seiten – es handelte sich um Fesselungskünste. Im Kampf, schnell und ästhetisch, effektiv und brutal. Zum Transport von Gefangenen oder bei der Hinrichtung. Die Texte über die Bedeutung, einen Gefangenen vor seiner Exekution angemessen und elegant zu fesseln, faszinierten sie. Es war brutal, aber zugleich eine Verneigung vor dem Schicksal, das den Gefangenen erwartete.
Sie stieß auf ein Buch im untersten Regal – Shibari. Ein dicker Wälzer, ungebunden, der aufgrund von Alterserscheinungen und regem Gebrauch drauf und dran war auseinanderzufallen. Vorsichtig zog sie ihn heraus. Der Papierumschlag war verblichen und zerknittert. Erotische Körper, mit intrikaten Knoten und Bändern gefesselt, die die Linien und Formen der Gefesselten betonten. Aber auch ausführliche Beschreibungen zum Verschnüren schöner Pakete und Präsente. Gebannt starrte Erika auf die Anleitungen und die verblichenen Bilder. Ein wenig schämte sie sich, als ob sie heimlich etwas angeschaut hatte, das ihre Gedanken zu Bondage
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