Die Frau des Polizisten
Jan Olof den Faden tastend wieder auf, seine Stimme klang heiser und verraucht. »Mit dem Auto war alles in Ordnung, nur die Jahreshauptuntersuchung und die Inspektion standen an. Ich habe sie gegen elf Uhr vormittags dorthingefahren und sie an der Werkstatt rausgelassen. Das Auto war fertig, man bekommt dann immer eine SMS …«, fügte er mit einem raschen Seitenblick auf Erika hinzu. Sie antwortete mit einem freundlichen Nicken. Er wollte noch etwas ergänzen, aber es kamen keine Worte über seine Lippen.
»Haben Ihre Schwiegereltern sich überhaupt nicht nach ihr erkundigt?«, fragte Erika und bemühte sich, nicht kritisch zu klingen. Ihre Tochter war schließlich nicht wie vereinbart zum Abendessen erschienen, eigentlich hätten die Eltern reagieren müssen.
»Nein, ich habe nichts von ihnen gehört. Aber …« Jan Olof rieb sich die Stirn, zog abermals die zerknitterte Zigarettenschachtel hervor, kraulte die Ohren der Katze und sah sie zärtlich und gleichzeitig traurig an. »Oder, besser gesagt, wir hatten überhaupt keinen Kontakt. Sie haben nie etwas von mir wissen wollen. Also habe ich irgendwann aufgegeben, könnte man sagen.«
Jan Olof entschuldigte sich und ging in die Küche. Erika und Per tauschten einen fragenden Blick. Jan Olof kam mit einer neuen Zigarettenschachtel zurück und setzte sich wieder.
»Ich habe mir keine Sorgen gemacht, als Barbro ein paar Tage nichts von sich hören ließ«, erklärte er. »Sie ist eine Frau, die auf sich selber aufpassen kann. Wenn das Auto nicht fertig gewesen wäre, hätte sie sich gemeldet.« Er machte eine vage Geste.
»Sie haben Ihre Schwiegereltern also nicht angerufen?«, fragte Per misstrauisch. Jan Olof sah mit einem erstaunten Ausdruck auf dem blassen, eingefallenen Gesicht zu ihm auf.
»Doch, natürlich. Als sie nicht wiederauftauchte und nicht an ihr Handy ging. Ich habe ihre Eltern angerufen. Aber alles, was ich mir anhören musste, war eine furchtbare Schimpftirade, dass ich das Telefon nicht abgenommen hätte und …« Er seufzte tief und resigniert auf.
»Ich hatte in Barbros Lieblingsrestaurant ›Bei Pelle‹ einen Tisch reserviert.« Jan Olof sah abrupt zu Erika hoch. »Sie ist nicht gekommen.«
Er schlug die Hände vors Gesicht. Die Katze glitt aus dem Sessel und flitzte pfeilschnell unter dem Couchtisch hindurch in die Küche.
»Haben Sie noch etwas anderes unternommen, als ihre Eltern anzurufen?«, fragte Per.
Jan Olof ließ die Hände sinken, in seinem blassen Gesicht zeigten sich rosa Flecken. Er rieb sich heftig die Augen trocken und nahm eine aufrechtere Körperhaltung ein.
»Ich habe mit unseren Freunden telefoniert, Barbros alter Jugendfreundin aus Alingsås und einer Kollegin. Ich habe sogar bei ihrer Arbeit angerufen. Ich hatte wohl gehofft … ich weiß es nicht.«
»Könnten Sie uns vielleicht aufschreiben, wen sie angerufen haben und in welcher Beziehung sie zu den Personen stehen?«, fragte Per. »Und auch, welche Kleider Ihre Frau trug, als Sie sie zuletzt gesehen haben«, fügte er sanft hinzu. Jan Olof holte einen Block und machte schnell ein paar Notizen, die er den beiden Polizisten gab.
Erika lehnte sich zu Per hinüber und studierte die Zeilen auf dem Papier. Ein paar Namen standen darauf. Ein Paar aus der Nachbarschaft, eine Frau aus Alingsås und ein Paar aus Göteborg – Barbros Eltern. An der Kleidung, die Barbro am Tag ihres Verschwindens getragen hatte, war nichts Auffälliges, wenn sie auch viel exklusiver als das war, das ihnen üblicherweise begegnete: ein pelzgefütterter Mantel, ein Kaschmirpullover, Wollhosen, Reitstiefel einer teuren Marke, eine Designerarmbanduhr, eine echte Perlenkette und ein Seidenschal. Und mehrere Ringe mit Edelsteinen und Brillanten.
»Sie haben sie also um elf an der Werkstatt abgesetzt?«, wiederholte Per. Ein kurzes Nicken war die Antwort. »Ist Ihre Frau jemandem vom Personal begegnet? Haben Sie sie in die Werkstatt hineingehen sehen?«
Jan Olof schüttelte den Kopf. Per notierte.
»Dürfen wir uns hier ein bisschen umsehen?«, fügte Per hinzu.
»Natürlich.«
Schwerfällig erhob sich der Ehemann. Sie folgten ihm durch einen langen Flur hinter der Küche, von dem die Schlafzimmer, das Bad und die Arbeitszimmer abgingen, und betraten Jan Olofs Arbeitszimmer.
Es war penibel aufgeräumt. Ein großer weißer Schreibtisch und weiße Regale standen an den Seiten. Erikas Blick wanderte über die Fotografien im Bücherregal: Herr und Frau Olofsson, beide lächelnd,
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