Die Frau des Polizisten
verfolgte fasziniert, wie sein Gesicht vollkommen seinen Charakter veränderte, dass sich sogar die fast schwarzen Augen aufhellten.
»Was meinen Sie, Frau Kollegin, sollen wir’s für heute gut sein lassen? Wir haben noch jede Menge Papierkram vor uns. Du machst einen ziemlich ermatteten Eindruck«, stellte er fest.
Erika nickte mechanisch, der Kloß in ihrem Hals schwoll ohne Vorwarnung an.
Da kam Vanja mit ein paar Kopien den Korridor herunter und überreichte sie ihnen mit einer schwer zu deutenden Miene. Per warf einen raschen Blick darauf und las etwa zehn Namen. Dann lachte er auf. Erika sah ihn erstaunt an.
»Du glaubst es nicht … da steht doch tatsächlich ein alter Bekannter auf der Liste, Göteborgs berüchtigtster Bandenchef. Das kann ja heiter werden!«
Kapitel 10
Torbjörn Stark zog eine Augenbraue hoch, starrte ungehalten auf das Telefon und wartete darauf, dass das Klingeln endlich verstummen würde. Er ließ seine Pranken resigniert auf den Papierstapel sinken. Demonstrativ gab er ein Stöhnen von sich und ging schließlich ans Telefon.
»Torbjörn Stark.«
»Hallo, Tobbe!«
Torbjörn setzte sich auf, die Stimme war unverkennbar.
»Göran. Lange nichts von dir gehört«, antwortete Torbjörn und vernahm selbst den angestrengten Ton seiner Stimme. Sein Rücken wurde steif, die Hand, die die Maus gehalten hatte, verharrte.
»Stimmt, aber ich kann ja nichts dafür, dass du in diesem gottverdammten Nest wohnst.«
Görans Stimme klang kalt, ohne eine Spur von Ironie.
»Was hältst du von einer Wiedergutmachung am Mittwoch bei einem Bier?«
»Mittwoch?«
»Ja. Ich habe etwas in Göteborg zu erledigen und dachte, dass du vielleicht für einen alten Kumpel noch ’n Bett frei hättest.«
Torbjörn fluchte innerlich. Er wollte nicht in irgendeinen Mist reingezogen werden, mit dem er nichts zu tun hatte, antwortete aber so freundlich, wie es eben ging, dass er natürlich für ein paar Nächte in seinem Gästebett schlafen könne und ein Bierchen mit einem guten alten Freund immer eine gute Idee sei. Sie verabredeten sich für Mittwochabend im »Bishop Arms« am Järntorget.
»Gut«, schnitt Göran ihm das Wort ab. »Es gibt ’ne ganze Menge, über das ich mit dir reden möchte, wie du vielleicht weißt. Meiner Frau ist es eine Zeitlang nicht so gut gegangen, aber dies, tja … du weißt schon. Es reicht jetzt. Sie braucht Hilfe, und ich werde zusehen, dass sie welche bekommt. Schließlich ist sie meine Ehefrau.«
Kapitel 11
Vanja Lankinen saß noch in ihrem Büro und ließ die Zeit verstreichen. Elisabeth schaute wie üblich herein. Bevor sie Feierabend machte, erinnerte sie daran, später den Alarm einzuschalten, plauderte einen Moment mit lebhafter Stimme und einer leicht aufgeregten Röte auf den Wangen von dem Besuch der Polizei und den Kunden, die Drohungen ausgesprochen hatten. Vanja hörte zu, ohne ein Wort von dem, was sie sagte, zu verstehen, und starrte mit weitgeöffneten Augen ins Leere.
Jetzt war der Ball ins Rollen gekommen. Sie sollte eigentlich Erleichterung und Schadenfreude empfinden, aber sie verspürte nur eine tiefsitzende Furcht. Vanja schluckte immer wieder gegen das Unwohlsein, das sie nach dem Besuch der Polizisten befallen hatte. Als sie eine Hand hob, bemerkte sie, dass sie zitterte. Sie musste eine Entscheidung treffen. Und handeln – jetzt.
Vanja sah vor ihrem inneren Auge die beiden Polizisten vor sich. Die Frau mit den blonden Locken und der Gipshand schien ziemlich ahnungslos zu sein. Eine angeschlagene Kreatur, entweder war sie in eine Schlägerei geraten oder aber sie hatte sich irgendeine Sportverletzung bei einem Training zugezogen, das sicher regelmäßig auf ihrer Tagesordnung stand. Aber der Mann mit den durchdringenden dunklen Augen, der war von einem ganz anderen Kaliber.
Vanja fasste einen Entschluss. Schweiß brach ihr bei dem Gedanken daran aus. Sie stemmte die Hände gegen den Schreibtisch und hievte sich hoch, stolperte, fing sich aber sogleich wieder, schlich zur Tür und sah hinaus. Die Zimmerlagen still und dunkel da, nur die Deckenlampen auf dem Korridor brannten. Sie legte die wenigen Schritte zu Barbros Büro zurück und schlüpfte so leise wie möglich hinein. Mit klopfendem Herzen blieb sie einen Augenblick hinter der Tür stehen und horchte.
Der bekannte Duft von Barbros teurem Parfüm umfing sie. Ein seltsam geformter Schatten im Dunkeln ließ ihr Herz einen Purzelbaum schlagen. Für einen flüchtigen Moment meinte Vanja,
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