Die Frau des Polizisten
so, Schwesterherz? Seit wann ist er so? Ich kann’s nicht begreifen! So war er doch nicht, als ihr euch kennengelernt habt. Er war doch wahnsinnig charmant, nett und fast verboten gut aussehend. Herrgott, wir dachten alle, du hättest den Fang deines Lebens gemacht! Ihr wart wie füreinander geschaffen, ich habe selten eine solche Übereinstimmung zwischen Ehepartnern gesehen. Ich habe noch wunderbare Aufnahmen davon, als wir in jenem ersten Sommer in Åre wandern waren. Ihr wart einso schönes Paar. Und ihr saht so glücklich aus …« Erikas Gesicht verzog sich; ergriffen schluchzte sie gegen den Handrücken.
»Danke, Schwesterchen, du bist die Beste! Du weißt ja nicht, wie schön es ist, das zu hören. Dass ich nicht vollkommen von Sinnen war, als ich mich in ihn verliebt habe.«
Sie sehnte sich plötzlich danach, ihre Schwester, ihre Familie und all ihre Hunde um sich zu haben. Von Wohlwollen und Liebe umgeben zu sein. Einfach die Hand danach ausstrecken zu können. Wenn es einen dringend nach Nähe verlangte, konnte man einfach mit einem Tier schmusen.
»Ich habe das Gefühl, als ob mit mir etwas nicht stimmt. Dass ich es nicht gesehen, es nicht erkannt habe«, seufzte Erika resigniert und fuhr sich durch die wild vom Kopf abstehenden Locken. »Es ist ein verdammtes Glück, dass wir keine Kinder haben. Pures Glück! Stell dir vor, ich müsste ihnen erklären, warum sie einen Psychopathen zum Vater hätten!« Sie verstummte, alle Energie hatte sie verlassen.
Der Hund auf Mias Schoß bellte schwach und strampelte rastlos. »Sag mal, den Hund … hast du ihn mitgenommen?«, fragte Mia vorsichtig. Ein Schauer überlief sie, als ihre Schwester zögernd zu ihr hochsah.
»Nein. Göran war sehr misstrauisch. Er hat Boss in der letzten Zeit selten aus den Augen gelassen, hat ihn genauso bewacht wie mich. Er hat den Hund mit zur Silvesterparty genommen … ich bin sogar noch hingefahren und habe versucht, ihn zu holen – danach. Aber es hat nicht geklappt.«
Erika sah den bedrückten Blick ihrer Schwester auf dem Bildschirm, schloss die Augen und ließ ihren Tränen freien Lauf.
Kapitel 13
Torbjörn lief vor dem Brunnen auf dem Järntorget auf und ab. Er war warm angezogen, mit dicker Jacke, Wollpulli und Stiefeln, stand mit dem Rücken zum eisigen Wind und hatte die Hände tief in den Taschen vergraben. Trotzdem kroch die Kälte unter seine Kleidung und erfasste seinen Körper. Er fror, und allmählich machte sich Gereiztheit in ihm breit.
Er ließ den Blick über den Platz schweifen, zur Buchhandlung, der Imbissbude und den Cafés. Ein paar Raucher, die gegen die Kälte immun zu sein schienen, standen dichtgedrängt auf dem gepflasterten Platz, zogen abwechselnd an der Zigarette, unterhielten sich und liefen hin und her, um nicht auszukühlen.
Ein älterer Mann im elektrischen Rollstuhl, an den er sich vage erinnern konnte, fuhr lautlos an ihm vorbei und verfehlte dabei nur um Haaresbreite Torbjörns Schuhe. Der Mann hatte seinen Gehstock wie eine einsatzbereite Waffe hinter seinem Sitz befestigt, und seine Miene besagte, dass er kein Pardon kannte, falls sich ihm jemand in den Weg stellen sollte.
Torbjörn drehte sich um, als er ein paar kräftige Flüche hörte. Hinter dem Brunnen konnte er vier dunkel gekleidete Personen erspähen – Kontrolleure, die ausgestiegene Fahrgäste der Straßenbahn überprüfen wollten. Ein paar von ihnen fuchtelten aufgebracht mit den Armen. Torbjörn seufzte kopfschüttelnd. Dann entdeckte er Göran, der über den Platz auf ihn zukam, riss sich von seinen Gedanken los und ging ihm entgegen.
»Hallo, lange nicht gesehen«, stellte er fest und ergriff mit festem Händedruck Görans Pranke; sie umarmten sich flüchtig.Torbjörn trat einen Schritt zurück und musterte ihn kurz. Göran hatte sich überhaupt nicht verändert – groß und kräftig, mit breitem Lächeln, unglaublich blauen Augen und blondem dichten Haar. Raschen Schrittes steuerten sie einen Pub an und traten ins Warme, hängten die Jacken in der gemütlichen Schankstube über die Stuhllehne und bestellten sich ein Bier an der Bar. Sie redeten über das Wetter und Görans Zugfahrt, und als sie sich gesetzt hatten, spürte Torbjörn, dass mit seinem alten Schulkameraden irgendetwas nicht stimmte oder zumindest anders war als sonst.
Sie sprachen über dies und das und machten sich über die Zustände ihres Berufsstands lustig, in dem immer mehr Papiertiger und immer weniger echte Polizisten auf der Straße
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