Die Frau des Polizisten
Barbro mit ihrem typisch selbstzufriedenen Lächeln an ihrem Schreibtisch sitzen zu sehen. Aber alles lag still und verlassen da, so wie seit Beginn der Weihnachtsferien.
Vorsichtig schlich Vanja zu dem großen Schrank hinüber, schloss ihn auf und fluchte durch die Zähne, als ihr eine Flut von Ordnern, Mappen und Akten entgegenkam, die sie mit ihrem Knie bremsen musste. Als sie den Haufen endlich zum Stillstand gebracht hatte, schob sie eine Hand bis zur Rückwand dazwischen und ertastete das dicke ledergebundene Buch. Grimmig zog sie es heraus, rückte die Stapel zurecht, drückte die Tür zu und schloss ab.
Eilends ging Vanja zurück in ihr Zimmer, riss ihren Mantel an sich und verließ das Büro. Erst als sie an der Bushaltestelle auf dem Marktplatz stand, Barbros Tagebuch fest an die Brust gedrückt, übermannte sie die Furcht erneut mit voller Kraft.
Kapitel 12
Erika öffnete die Tür, betrat die dunkle Diele und lauschte. Die Wohnung war ungewöhnlich still. Sie zog die Schnürstiefel aus, hängte ihre Jacke auf und tapste durch den langen Flur. Aus dem Wohnzimmer fiel ein schwacher Lichtschein. Anna war tief in die Polster des Sofas gesunken, als Erika hineinsah.
»Hallo! Wieso sitzt du hier so im Dunkeln?«
»Hallo!«
Anna richtete sich blinzelnd auf und sah sich verwirrt um.
»Ja, du meine Güte, wie dunkel es geworden ist!« Sie schlug das Buch zu, in dem sie seit einigen Stunden gelesen hatte. »Wie war dein Tag heute?«, fragte sie dann und gähnte dabei lautstark.
»Ganz o. k., es war nur ein langer Tag. Wir ermitteln in einer Vermisstensache, deshalb sind Per und ich zwischen Göteborg und Askim hin- und hergefahren.«
»Ach ja, die verschwundene Architektin! Krister meinte sofort, sie sei bestimmt von irgendeinem Bonzen gekidnappt worden, der nicht so bauen durfte, wie er wollte, und nun sitzt sie irgendwo mit einem Stift in der Hand, während ihr eine Pistole an die Schläfe gehalten wird«, sagte Anna schmunzelnd und machte den Nacken lang. Sie verzog das Gesicht und streckte und räkelte sich, begleitet von leisen genüsslichen Geräuschen. Erika gab einen zweifelnden Laut von sich, ohne die Worte zu kommentieren.
»Meinst du, es ist in Ordnung, wenn ich mal kurz an Kristers Rechner gehe? Ich möchte nur sehen, ob meine Schwester online ist«, ergänzte Erika schnell.
»Aber natürlich! Möchtest du etwas essen? Ich hatte noch nichts.«
»Unbedingt«, lächelte Erika, ging in Kristers Arbeitszimmer, machte Licht und schaltete den Computer ein. Sie hörte Anna in der Küche rumoren. Der Umgang mit ihr war einfach und unkompliziert. Trotz all der Jahre, in denen sie wenig Kontakt gehabt hatten. Es hatte sie Überwindung gekostet, Anna anzurufen und um einen Unterschlupf zu bitten, trotzdem war sie die Erste, ja sogar die Einzige, die ihr eingefallen war. Und Erika erkannte, dass sie sich in dieser Phase der Distanz und Funkstille nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatte. Anna und Krister hatten sie ganz selbstverständlich mit offenen Armen empfangen. Trotzdem fühlte sie sich wie ein unverschämter Schmarotzer. Sie musste unbedingt ihr Unterkunftsproblem lösen, so schnell wie möglich.
Erika rief rasch ihre privaten E-Mails ab, unter denen sich jedoch nichts Aufsehenerregendes befand. Göran vermied es, E-Mails zu schreiben, er war nicht dumm. Sie loggte sich kurz auf Facebook ein, konnte aber kein Interesse dafür aufbringen, was ihre Freunde und Bekannten zum Frühstück aßen, in welchem Stau sie gerade standen oder mit welchen albernen Computerspielen sie sich abgaben.
Sie rief über Skype ihre Schwester an, die fast augenblicklich antwortete. Aber das Bild war verschwommen. Erika konnte Mia herumlärmen hören, bevor sie mit geröteten Wangen vor dem Computer Platz nahm. Ihre Haare waren zerzaust, und sie sah gehetzt, aber glücklich aus. Erika kniff die Augen zusammen, aber der Hintergrund kam ihr nicht vertraut vor. Da sah sie die Schlange, die auf den Schultern ihrer Schwester ruhte. Sie streckte neugierig den Kopf vor und zischte. »Hi, Schwesterchen, lange nichts gehört! Bist du jetzt in Göteborg?«, fragte Mia neugierig.
»Ja, ich wohne bei Anna und ihrem Mann. Und ich arbeite wieder«, lächelte Erika. Es war ein schönes Gefühl, das sagen zu können. »Und wo bist du?«
»Ich? Ach so, in den neuen Räumen. Wir haben letzte Woche alles hier hergebracht, und ich hatte schon meine ersten Patienten hier. Es wird super werden! Hoffe nur, dass auch meine alten Kunden
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