Die Frau des Polizisten
Aufregung gelegt hatte. Wie die meisten hatten sie einen Seufzer der Erleichterung ausgestoßen und sich dem gewidmet, was wirklich wichtig war – der Familie, zu bauen und umzuziehen. Darüber hinaus hatte er ein Alibi für die Tage um das Datum herum, an dem Barbro verschwunden war. Er hatte im Krankenhaus am Bett seines Sohnes gewacht, der an einer Hirnhautentzündung erkrankt gewesen war.
»Als wir in sein Zimmer kamen, waren seine Hände und Füße ganz blau. Er war apathisch, wollte nicht gestillt werden, gar nichts. Wir hätten ihn beinahe verloren! Wenn ich ehrlich sein soll, der Teufel soll diese Frau holen. Der ganze Mist, den sie …« Er war verstummt und hatte sich für seinen Ausbruch entschuldigt, nachdem er sich ein wenig beruhigt hatte.
»Kann ich ihnen sonst noch irgendwie helfen, oder darf ich den ganzen Scheiß jetzt endlich mal vergessen?«, hatte er mit Tränen in den Augen gesagt.
Per und Erika kamen an Siedlungen mit immer größeren Häusern vorüber, und nach einer Weile konnte Erika das Meer wie einen farblosen Streifen am Ende der Straße schimmern sehen. Sie stiegen aus dem Auto und betrachteten die Einfamilienhausgegend, die im Winterschlaf zu liegen schien.Schwarzlila Wolkenfetzen, zwischen denen ein Stück hellblauer Himmel aufblitzte, hingen über der leicht aufgerauten Fläche des Meeres. Wann immer sie einen Flecken blauen Himmels sah, erfasste sie eine drängende Sehnsucht nach Luft und Licht, Weite und freier Sicht. Aber wenn sie die Luft einatmete, war sie immer wieder gleichermaßen enttäuscht. Sie roch stickig, klamm und nach etwas Stillstehendem, Vermodertem. Sie fragte sich, ob sie sich jemals an den Geruch von Meer und Salz oder an das Wetter hier gewöhnen würde, das aus einer schier endlosen Anzahl von Tagen mit bedecktem Himmel bestand, an denen es entweder ergiebig regnete oder sich dicht und undurchdringlich der Nebel hielt.
Sie blickte über die Straße, an der buntgemischt Häuser verschiedener Baustile und Größen standen und die sich bis zum Meer hin erstreckten. Am Ufer der Bucht lagen Boote, die mit Planen geschützt waren. Eine Anzahl rotgestrichener Bootsschuppen kauerte sich an der Kailinie dicht aneinander, und ein halb aufgeweichtes Schild, das von einer Gartenpforte baumelte, verkündete, dass es nur Mitgliedern des Strandbades gestattet sei, hier zu baden. Erika fröstelte.
Sie waren offensichtlich in einem ehemaligen Sommerhausgebiet gelandet. Ein paar kleinere Häuser standen auch heute noch und wiesen liebevoll gepflegte Gärten auf, andere schienen schon seit langem verlassen zu sein. Die Häuser waren eine Mischung aus Eigenheimen der 60er Jahre und später, aber auf den meisten Grundstücken standen gesichtslose und austauschbare Neubauten.
Der zweite Hinweis führte sie zu einem Mann, der angeblich gehört hatte, wie sein Nachbar damit drohte, Barbro Edin Olofsson umzubringen. Der Mann war weder Alkoholiker, Junkie noch einer der ihnen bekannten Lügenbolde, die immer in der Hoffnung auf eine Belohnung anriefenoder weil sie jemandem ihr Herz ausschütten und etwas Aufmerksamkeit bekommen wollten. Er wohnte in einer gutsituierten Gegend und war polizeilich bisher nicht weiter groß in Erscheinung getreten, hatte sich nur eine beeindruckende Anzahl an Strafzetteln wegen Falschparkens zuschulden kommen lassen.
Der Mann, der ihnen bei der protzigen Villa am Meer die Tür öffnete, machte einen strengen und theatralischen Eindruck. Seinem Geburtsdatum zufolge war er über sechzig, aber seine blasse Gesichtshaut war merkwürdig glatt und zart für sein Alter. Er trug einen gutgeschnittenen Anzug, ähnelte aber aufgrund seines Buckels und seines Kinns, das er beim Sprechen vorschob, vielmehr einem verkleideten Schimpansen.
Voller Ernst erzählte er, dass seine Frau und er sich darüber geärgert hatten, dass ihr Nachbar sonntags hämmerte. Als es ihnen reichte, hätten sie sich bei ihm beschwert, und daraufhin sei eine, wie er selbst es ausdrückte, lebhafte Diskussion entbrannt. Wie sie auf das Thema Garagenausbau zu sprechen gekommen waren, wusste er nicht mehr, aber er erinnerte sich noch sehr gut daran, dass sein Nachbar gesagt habe, dass er für die Behörden und ihre Art, wie sie Normalsterbliche behandelten, nur Verachtung übrig hätte und er beabsichtigte, Barbro Edin bei passender Gelegenheit den Hals umzudrehen.
Wie zufällig stand plötzlich seine Frau in der Tür und stimmte giftig und zänkisch in die Vorwürfe ihres Mannes ein.
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