Die Frau des Polizisten
verwirrten Gesichtsausdruck Erikas Blick. Er fuhr zusammen, als ob sie ihm eine Ohrfeige verpasst hätte.
»Aber Liebling … was sagst du da? Ich … ich verstehe nicht.«
Er schlug die Hand vor den Mund und starrte sie ungläubig an, während ein Schimmer in seine Augen trat. Er machte einen zögernden Schritt auf sie zu, erstarrte aber in der Bewegung, und seine Hand blieb in einer jämmerlichen Geste in der Luft hängen.
»Meine geliebte Erika«, flüsterte er leise. »Tu mir das um Gottes willen nicht an. Ich will dir doch nur helfen.«
Er schluckte hart und schlug erneut den Blick nieder, um sich dann rasch verlegen nach den anderen umzudrehen, die wie gebannt auf die Szene vor sich im Flur starrten.
Göran wandte sich vorsichtig wieder Erika zu, hob mühsam den Arm, als ob er übermächtig schwer geworden wäre, und streckte ihn ihr entgegen. Eine gefühlte Ewigkeit stand er so da, den Blick auf ihr Gesicht geheftet, während sich seine Augen langsam mit Tränen füllten. Dann fiel sein Arm herab und blieb schlaff neben seinem Körper hängen.
Erika registrierte, dass ihr Mund weit offen stand. Erik stand hinter ihr und starrte mit grimmiger Miene auf Göran und Torbjörn. Per war still hinter sie getreten und beobachtete das, was sich abspielte, mit ausdruckslosem Gesicht. Zwei Kolleginnen, die den Korridor herunterkamen, verlangsamten ihre Schritte, guckten neugierig und fragend.
Es war, als hätte jemand den Stecker aus Erikas Bewusstsein gezogen. Alles stand still, sie konnte nicht einen einzigen logischen Gedanken fassen, obwohl sie das, was gerade geschah, erwartet oder vielmehr gefürchtet hatte. Görans trauriges Gesicht, seine Augen, in denen Tränen standen, jagten ihr Angst ein, mehr als alles, was sie in den grausamen Jahren ihres Zusammenlebens erlebt hatte.
In seinen Augen lag eine Eiseskälte, die sie noch nie darin gesehen hatte. Und jäh begriff sie, dass sie seine ganze Existenz herausgefordert, ihn ans Licht gezerrt hatte und ihn jetzt dazu zwang, seine verlorene Ehre und sein rechtmäßiges Eigentum, seine Frau, wiederzugewinnen. Die Frau, die vor Gott geschworen hatte, ihn in guten wie in schlechten Tagen zu lieben. Jetzt hatte sie ihn entehrt, ihn angespien und die Sache an die Öffentlichkeit gebracht.
Die beiden Polizistinnen gingen weiter und bogen um die Ecke. Erik schwankte und warf Erika einen fragenden Blick zu, den sie mit einem vertrauenerweckenden Lächeln zu begegnen versuchte, doch kein Muskel in ihrem Gesicht wollte ihr gehorchen. Erik zog sich mit einem grimmigen Nicken und einem eindringlichen Blick auf Göran zurück. Per rührte sich nicht, sondern beobachtete konzentriert Göran und Torbjörn, der wie ein grimmiger Leibwächter hinter seinem Freund stand.
»Ich bleibe hier. Ich lebe nicht mit einem Mann zusammen, der mich schlägt«, sagte Erika mit belegter Stimme.
Sie presste eine Hand gegen ihren Schenkel, das Bein zitterte. Göran lachte heiser und wischte sich mit einer groben Bewegung die Tränen aus den Augen.
»Was behauptest du da? Dass ich meine Frau schlagen würde? Ich, ein Polizist? Nein, weißt du, ich bin doch nicht lebensmüde.«
Göran lächelte schwach, schluchzte auf, legte erneut den Arm um Erikas Nacken und zog sie an sich. Mit einem Finger strich er ihr über die Wange.
»Ich bin doch nicht verrückt, ich weiß doch, mit was für einer Löwin ich verheiratet bin«, murmelte er mit belegter Stimme. Er verzog die Mundwinkel in dem Versuch zu lächeln, aber es ähnelte viel mehr einer Grimasse. Er ließ sie los, in seinen Augen erlosch etwas.
»Ich wollte nur sehen, wie es dir geht, ob du okay bist«, murmelte er kaum hörbar. »Und dich bitten, wieder nach Hause zu kommen. Wir machen uns alle große Sorgen um dich. Wir wissen ja, dass du eine schwere Zeit hinter dir hast, nicht du selbst warst.« Göran hielt ihr in einer bittenden Geste die Hände entgegen. Erika starrte sie an, als sähe sie eine Giftschlange.
»Bitte, komm nach Hause, mein Schatz! Ich bitte dich.«
Göran verstummte, sein Mund blieb einen Augenblick, ohne etwas zu sagen, offen stehen. Dann zuckte er zusammen und räusperte sich.
»Ich wohne ein paar Tage bei Torbjörn.« Er deutete auf seinen Freund.
»Ich habe erst abgewartet, dachte, dass du wieder nach Hause kommen würdest, nachdem du etwas bei Anna gewesen wärst, dass du nur ein bisschen Zeit brauchen würdest …«
Ihm schienen die Worte zu fehlen. Er presste die Lippen aufeinander und sah zu Boden.
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