Die Frau des Polizisten
habe gar nichts getan. Und so viel kann ich sagen, darauf bin ich wirklich nicht stolz.«
Das Letzte spie er aus, als ob es bereits für alles zu spät sei. Er kippte den Whiskey mit einem Zug hinunter, hustete und lachte kurz und trocken auf.
»Und wir sitzen hier und trinken, was für eine Ironie!«
Per beobachtete ihn. Görans Geschichte war deprimierend. Was er gesagt hatte, erklärte so manches von Erikas absonderlichem Benehmen und ihrer Flucht vor ihrem alten Leben. Aber irgendetwas passte nicht ins Bild.
»Wir sollten vielleicht aufbrechen?«, schlug Torbjörn vor, der grimmig dreinschaute.
»Ja«, erwiderte Göran rau, er wirkte träge und unwillig.
»Es war nett, dich kennenzulernen, Per, ich habe gehört, dass du jetzt mit Erika zusammenarbeitest.«
Göran stand auf, machte einen unsicheren Schritt, gewann jedoch rasch sein Gleichgewicht wieder und heftete den Blick auf Per.
»Soweit ich weiß, wohnt sie ja nicht mehr bei Anna … aber falls du weißt, wo ich sie …«
Göran verstummte. Er senkte den Blick und räusperte sich.
»Pass gut auf sie auf, sie hat alle Hilfe nötig, die sie kriegen kann.«
Sie sahen sich einen Moment schweigend an. Görans Augen funkelten kalt wie Gletschereis. Per spürte, wie der nagende Zweifel in ihm zur Gewissheit wurde. Görans Worte hatten keine Grundlage. Alles, was er tat und sagte, war nur Fassade, ein raffiniertes Lügentheater. Göran baute sich dicht vor Per auf, der zu ihm aufsehen musste, um ihn anschauen zu können.
»Und vergiss niemals, wer meiner Frau zu nahe kommt, wird dafür in der Hölle schmoren«, zischte Göran.
»Dem Schwein, der es wagt, meine Frau anzurühren, breche ich jeden verfluchten Knochen im Leib …«
Per rührte sich nicht, hielt seinem Blick stand. Schließlich atmete Göran ein paar Mal ruhig durch, drehte sich um und ging mit schwankenden Schritten zu Torbjörn. Begleitet von albernen Kommentaren, welcher Pub für heute die letzte Station sein sollte, zogen sie sich an. Kurz darauf waren sie fort.
Per schloss die Tür hinter ihnen und lauschte einen Augenblick ihrem lautstarken Abgang im Treppenhaus. Als er die Gläser und Flaschen in die Küche getragen hatte, nahm er das Handy von der Fensterbank und wählte Erikas Nummer. Der Ton klang hohl, dann meldete sich Erikas freundliche Stimme, die mitteilte, dass sie leider gerade nicht erreichbar sei, aber so rasch wie möglich zurückrufen werde. Per starrte auf seine Hände, dann auf die leeren Flaschen, die auf der Küchenanrichte standen. Er konnte sich nicht mehr ins Auto setzen, und selbst wenn, wusste er noch nicht einmal, wo er hinfahren sollte.
Sie wohnte nicht länger bei Anna, das wusste er. Anna hatte erzählt, dass sie einen zeitweiligen Unterschlupf für sie gefunden hätten und sie ihretwegen nicht bei ihnen wohnen bleiben wollte. Was ging in Erikas Kopf bloß vor?
»Dickköpfiges Frauenzimmer«, murrte er und starrte hinaus auf die Hafeneinfahrt. Um die Winterreifen hatte er sich noch immer nicht gekümmert.
Kapitel 31
»Erika, du hast Besuch, und er sieht wahnsinnig gut aus!«, begrüßte Astrid sie aufgeregt am Empfang im Polizeipräsidium.
Finde heraus, ob er verheiratet ist!, besagte ihre lebhafte Gestik hinter der Glasscheibe, mit der sie alles andere als diskret auf den Ringfinger deutete. Erika wartete ein paar Sekunden, bis das Lächeln auf ihrem Gesicht erloschen war, drehte sich um und ging Stefano Canneto, einem der Mitbegründer des Architekturbüros EQ, entgegen.
Er war um die vierzig, schlank, glattrasiert und hatte eine stolze Haltung. Er trug schicke Jeans und ein Jackett, und über seinem Arm lag ein dicker Wollmantel. Seine braunen Augen blickten unruhig, aber sympathisch, und er war einer der bestaussehenden Männer, die Erika jemals getroffen hatte. Er begrüßte sie nervös und bat um Verzeihung, dass er sich nicht eher gemeldet hatte. Er ließ sich auf Erikas Besucherstuhl nieder und erfasste mit einem Blick den nüchternen, anonymen Raum.
»Die Bezirksarchitektin Barbro wird vermisst, und ich möchte Sie bitten, mir zu erzählen, was Sie darüber wissen und wo Sie sich zwischen dem 2. Weihnachtstag und 6. Januar aufgehalten haben«, sagte Erika ruhig und schaltete das Aufnahmegerät ein.
»Ich verstehe«, erwiderte er und wurde unter seiner Sonnenbräune blass.
Er starrte einen Moment wortlos auf seine Hände, bevor er hörbar Luft holte und begann. Er und seine Familie hätten beinahe ein Jahr nach einem Haus in Göteborg
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