Die Frau des Polizisten
Flüche von sich, über Göran und gestörte Männer im Allgemeinen.
»Mia, unsere Cousins und Cousinen, du weißt schon, Karl, Katarina und Lasse …«
»Ja, was ist mit denen?«
»Was wissen wir eigentlich über sie? Na gut, sie gaben sich immer übertrieben vornehm. Aber wie war das eigentlich damals?«
Mia ließ am anderen Ende der Leitung ein nachdenkliches Grunzen hören.
»Tja, was soll ich sagen. Mamas Bruder trank zu viel, nahm es mit der Wahrheit nicht so genau und prahlte gerne, war im Grunde aber nur ein gewöhnlicher Angestellter, obwohl er sich spreizte und vorgab, Professor zu sein. Mamas Schwester … nun, ich glaube, sie war alkohol- und tablettensüchtig. Ich weiß noch, dass ich sie einmal in Stockholm besucht habe; sie hat mich zur Apotheke geschickt, um Schmerzmittel zu besorgen. Man wollte ihr dort wohl keine mehr aushändigen. Weshalb fragst du?«, fragte sie plötzlich.
»Na ja, Karl hat Kontakt zu mir aufgenommen. Nicht dass es so verwunderlich wäre – mich aufzuspüren ist ja wohl kaum eine Kunst –, aber wir haben ja jahrelang nichts voneinander gehört, warum ist er plötzlich so darauf aus? Und das, nachdem ich ihm damals in Stockholm so eine heftige Abfuhr erteilt habe.«
»Vielleicht hat er es verdrängt«, gluckste Mia.
»Hmmm. Blöd ist nur, dass er kriminell ist, wenn auch nur in kleinem Stil.«
»Was, Karl? Das wundert mich nicht. Aber ich könnte nicht sagen, dass ich etwas über ihn wüsste. Da müsste ich mal mit unserem Bruder sprechen, er weiß bestimmt mehr. Er hat jetzt übrigens den Hof bei Vallsundet gekauft! Auf Annersia. Jetzt haben wir also auch noch einen Teilzeitlandwirt in der Familie.« Mia lachte vergnügt, verstummte aber jäh, als eine Reaktion ausblieb.
»Aber, sag mal, Erika … woher wusste Karl eigentlich, dass du jetzt in Göteborg bist?«
Erika hatte keine Antwort darauf. Sie stellte nur fest, dass ihre Schwester immer noch den gleichen wachen Verstand wie eh und je besaß.
Kapitel 30
Per streckte sich auf dem Liegestuhl aus. Er versuchte, die Espressotasse vor sich im Gleichgewicht zu halten, atmete dabei ein, ließ sich tiefer sinken und spürte, wie sein Kreuzbein protestierte. Der Film flimmerte über den Bildschirm. Er sollte eigentlich schon längst auf dem Weg zu den Wäldern des Nordens sein, aber die Tage waren nur so vorbeigerast. Alles, was ihn davon abhielt, waren die verfluchten Winterreifen. Mechanisch drückte er die Fernbedienung. Alle Szenen des Films »Sieben« waren düster, bis auf einen schwachgelben Lichtschein; Bilder, die an die Gemälde von Vermeer erinnerten. »Sieben«, einer der besten Filme des Regisseurs David Fincher. Schon uralt, von 95, ein widerwärtiger, abstoßender Thriller, obwohl darin kaum Gewalt gezeigt wurde. Kevin Spacey zählte nicht zu seinen Lieblingsschauspielern, aber in der Rolle als Mörder und Soziopath war er brillant.
Er beschloss, im Internet nach gebrauchten Winterreifen zu suchen, statt teilnahmslos etwas anzuschauen, was er schon unzählige Male gesehen hatte, als es an der Tür klingelte. Einen kurzen Moment erwog er, das Klingeln einfach zu ignorieren, erhob sich schließlich aber doch. Die beiden Schatten hinter der Tür waren nicht das, was er erwartet hatte. Statt der kleinen schlanken Silhouette der rothaarigen Zahnärztin türmten sich die Umrisse zweier breitschultriger Männer vor seiner Tür auf.
»Hi«, grinste Torbjörn mit einem Grinsen, als Per öffnete. Schräg hinter ihm stand Göran, Erikas Mann. Ein Hauch von Frittierfett und halbverdautem Bier schlug ihm entgegen. Perregistrierte gleich den leicht glasigen Blick in Torbjörns Gesicht. Sein Körper konnte enorme Mengen Alkohol vertragen, weil er weit über hundert Kilo auf die Waage brachte. Um ihn unter den Tisch zu trinken, wäre eine ganze Schmugglerladung vonnöten. Für einen flüchtigen Moment überlegte Per, die Herren nicht hereinzulassen, einen Magen-Darm-Virus vorzutäuschen, aber seine Neugier gewann die Oberhand.
Im Flur wurde es eng. Unter großem Getöse zogen sich die unerwarteten Gäste ihre Jacken und Schuhe aus. Göran machte eine schnelle Hausbesichtigung und rühmte alles von der Renovierung bis hin zum unglaublichen Ausblick.
Kurz darauf hatten es sich die beiden auf den Sofas bequem gemacht und durchforsteten Pers Playlisten. Alles von Rihanna, Lady Gaga bis zu Apocalyptica und Disturbed wurde angespielt, um ebenso schnell wieder abgewürgt zu werden. Schließlich breiteten sich
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