Die Frau des Polizisten
die allen Grund hätten, Barbro zu verabscheuen«, hatte Erika nachdenklich gesagt. »Kai Andrée, dem seine schöne Aussicht verbaut wurde und der seine Baugenehmigung auf der Grundlage sehr vager Kriterien erlangt hat. In diesem Fall könnte es sich auch um Eifersucht gehandelt haben. Julia gab an, dass sowohl Sten als auch Kai eine Affäre mit Barbro hatten. Andererseits wissen wir nicht, was von ihrer Aussage dem Alkohol geschuldet ist.«
Per hatte ihr einen amüsierten Blick zugeworfen.
»Und dann hätten wir noch unseren italienischen Architekten, der Barbros Rache zu spüren bekommen hat, als er ihre Vereinbarung nicht einhielt. Ebenfalls interessant ist die Witwe Helene. Sie sitzt wegen Barbro in der Klemme. Ich habe Toni Christensens Tod noch etwas genauer unter die Lupe genommen, aber nichts daran deutet auf ein Verbrechen hin. Er ist an den Folgen von Stress gestorben, einem Magengeschwür, das er zu lange ignoriert hatte.«
Ihr Blick hatte sich auf das Sportstadion am Ende des Slottsskogengerichtet. Gelb gestrichene Holzpavillons mit seltsamen Verzierungen. Trist, morsch und heruntergekommen.
»Vielleicht steckt hinter dem Ganzen nur Eifersucht und Untreue, so wie Erik es vermutet«, hatte sie geseufzt. »Wir wissen nur, dass sie verschwunden ist – freiwillig oder unfreiwillig. Ansonsten haben wir nur jede Menge Hinweise, dass sie ihren Mann betrogen hat, und dass nicht nur mit einem, sondern mit mehreren. Und das sie mit großer Wahrscheinlichkeit jede Menge Dienstvergehen begangen hat.«
»Dass du immer noch so verbissen daran festhältst«, hatte Per lächelnd gesagt, den Blick auf die Straße geheftet. »Die Ermittlungen werden bald eingestellt werden, das weißt du. Wir haben nichts gefunden, sie ist auf und davon. Du erinnerst dich vielleicht …«
Per war unmittelbar hinter dem Slottsskogen in eine Gegend mit langgestreckten hohen Mehrfamilienhäusern abgebogen.
»… vor ein paar Jahren hatten wir einen Fall, in dem ein Mann, genau wie Barbro, spurlos verschwunden ist. Seine Frau saß daheim, heulte sich die Augen aus dem Kopf und war restlos verzweifelt – aber es gab keine Spur von ihm. Die Ermittlungen wurden auf Eis gelegt. Nach einer Weile fanden wir heraus, dass er ziemlich viel Geld beim Pferderennen gewonnen hatte. Und ein paar Monate später hat ein Nachbar ihn in einer Bar auf Malle erkannt. Nach einem Gespräch mit ihm sagte dieser, dass er seine Alte satt gehabt hätte und abgehauen sei. Und nicht beabsichtigte, jemals wieder nach Hause zurückzukehren.«
»Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass da etwas nicht stimmt«, hatte Erika gemurrt. »Ich kann das einfach nicht abschütteln. Vielleicht ist es aber auch nur so, dass ich etwas brauche, um mich abzulenken …«, hatte sie hinzugefügt undgemerkt, dass ihr Nacken brannte. Per hatte darauf nichts gesagt.
Erika konzentrierte sich auf Vanja, die sich wie ein Igel vor ihr auf dem Stuhl zusammengerollt hatte.
Langsam und bedächtig begann Vanja von ihrer Laufbahn im Bezirk zu erzählen, wie sie ihre Arbeit liebte, es liebte, mit ganz gewöhnlichen Menschen zu tun zu haben und ihnen dabei zu helfen, ihre Träume zu verwirklichen. Aber auch, Betrug und Korruption zu verhindern – zu einem besseren Miteinander beizutragen. Aber ganz so hatte die Realität nicht ausgesehen.
»Als ich anfing, war ich naiv und idealistisch. Ziemlich bald wurde mir klar, dass alles von oben gesteuert wurde und ich nur auf unterster Ebene Einfluss nehmen konnte, wenn überhaupt.«
Vanjas Wangen röteten sich, und in ihre Augen trat ein harter Glanz. Erika hörte interessiert zu und machte sich Notizen.
»Barbro war von einem Architekturbüro entlassen worden und verbittert und hasserfüllt. Wir spürten, dass sie für uns und ihre neue Arbeitsstelle von Anfang an nur Verachtung übrig hatte. Sie und unser ehemaliger Chef gerieten sofort aneinander.«
Vanja presste die Lippen aufeinander und warf Erika einen kurzen Blick zu. Sie schien ihre Worte gründlich abzuwägen.
»Unser Chef war dann lange Zeit krankgeschrieben und ist schließlich durch Sten ersetzt worden.«
Erika bedeutete ihr fortzufahren.
»Barbro schien die Arbeit nie richtig ernst zu nehmen«, fuhr Vanja nach einem Moment des Schweigens fort. »Weder die Arbeitszeiten noch ihre Termine. Sie tat das, wozu sie Lust hatte, der Rest blieb liegen. In vielerlei Hinsicht verhielt siesich wie ein trotziges Kleinkind. Wenn sie ihren Willen nicht bekam oder ihr etwas nicht
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